Neue Überwachungs-Werkzeuge für die saarländische Polizei


Von Marie Bröckling

Voraussichtlich im September wird der saarländische Landtag ein neues Polizeigesetz beschließen. Der Polizei stünde dann neues technisches Equipment zur Verfügung, beispielsweise die elektronische Fußfessel, die »Bodycam«, also eine am Körper getragene Kamera, und Trojaner-Software, die zum Aus-spähen von Computern oder Handys verwendet wird. Der Gesetzentwurf steht dabei klar im Kontext einer Welle von neuen Länderpolizeigesetzen in Deutschland und ist sichtlich von diesen geprägt. In der Berichterstattung bekamen in den letzten beiden Jahren jene Landesregierungen besonders viel Aufmerksamkeit, die durch ihre umfangreichen Ausweitungen der polizeilichen Befugnisse im präventiven Bereich – bis hin zum »gesetzgeberischen Exzess« – hervortraten: Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Motor hierfür sind die von der Union geführten Innenministerien.

Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung wird jedoch nicht in allen Bundesländern und auch nicht gleichermaßen das Polizeirecht verschärft: Weder in Thüringen noch in Berlin sieht man derzeit einen Anlass, neue Befugnisse für die Polizei zu schaffen. Es handelt sich klar um eine parteipolitische Entscheidung.Begründet wird der gesetzgeberische Handlungsbedarf im Saarland mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu einem anderen Polizeigesetz.1 Diese Argumentation ist nicht neu: Immer wieder haben Politiker*innen den Ausbau der polizeilichen Befugnisse in den letzten drei Jahren mit einer vermeintlichen rechtlichen Notwendigkeit begründet.2 Doch es gibt keine gesetzgeberische Verpflichtung, das rechtlich gerade noch Zulässige umzusetzen. Die Verfassungsrichter*innen in Karlsruhe zogen bei ihrem Urteil 2016 lediglich die Grenzen der staatlichen Überwachung, sie sprechen keine Empfehlungen aus.

Ausgearbeitet wurde der konkrete Gesetzentwurf im Innenministerium von Klaus Bouillon (CDU) – in enger Abstimmung mit der Polizei. Die zeigt sich zufrieden: Der saarländische Polizeipräsident bedankt sich in einer Stellungnahme an den Landtag für die »gute und konstruktive Zusammenarbeit« in dieser Sache. Auch die Polizeigewerkschaften treten in den Anhörungen im Innenausschuss selbstbewusst auf. Sie haben bereits weitere Wünsche eingereicht. In einem zweiten Schritt soll demnächst der Präventivgewahrsam gesetzlich erlaubt werden. Damit können Personen, die keine Straftat begangen haben, aber von der Polizei als gefährlich eingeschätzt werden, bis zu mehreren Monaten in einer Zelle festgehalten werden. In Bayern gibt es eine solche Regelung bereits, dort wurden letztes Jahr ein paar Dutzend Personen wochenlang präventiv eingesperrt.3

1. Elektronische Fußfessel

Neu eingeführt werden soll mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die elektronische Fußfessel. Im Koalitionsvertrag war sie noch zur »Überwachung von Tätern im Bereich Terrorismus« geplant. Der aktuelle Gesetzentwurf geht jedoch viel weiter: Zukünftig dürften damit alle Personen rund um die Uhr überwacht werden, die in den Augen der Polizei ein hohes Risiko zeigen, in der Zukunft eine schwere Straftat zu begehen. Laut einem Vertreter der Polizeigewerkschaft GdP soll die elektronische Fußfessel dazu dienen, »gewaltbereite Fußballfans« im Schach zu halten.

Die Überwachung ist jedoch langfristig konzipiert: Sie beginnt bei drei Monaten und ist danach stets verlängerbar. Die Technik sei aber durchaus »diskussionswürdig« und habe auch Nachteile, ergänzt ein Vertreter der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG). Grundsätzlich ist der Nutzen der Maßnahmen äußerst zweifelhaft. Zur Verhinderung von terroristischen Straftaten sei die elektronische Fußfessel völlig ungeeignet, da Attentate ihrer Sache nach besonders oft an alltäglichen und viel besuchten Orten stattfinden, bestätigt auch der Vertreter der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in einer mündlichen Anhörung im Landtag.

2. Bodycams

Bereits heute besitzt die saarländische Polizei insgesamt 66 Bodycams, damit ist sie dem Gesetzgeber bereits einen Schritt voraus. Nun zieht der nach und schafft im neuen Polizeigesetz eine explizite Grundlage für ihren Einsatz. Bodycams sind am Körper getragene Kameras, sie dienen dazu, Angriffe auf Beamt*innen vorzubeugen und gegebenenfalls Videomaterial für spätere Gerichtsprozesse zu sammeln. Potenziell können Bodycams auch dazu genutzt werden, polizeiliches Fehlverhalten zu dokumentieren.4 Im vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung ist eine Überprüfbarkeit der Polizei jedoch von vornherein ausgeschlossen: Ein Recht für Bürger*innen, das Videomaterial einzusehen, gibt es nicht. Dabei wäre es leicht, auf diesem Wege beidseitiges Vertrauen zu stärken.

3. Trojaner-Software

Zudem soll mit dem Gesetz eines der extremsten Überwachungsinstrumente überhaupt eingeführt werden: das Infiltrieren von Handys oder Computern mit Trojaner-Software, um verschlüsselte Nachrichten auszulesen. Anders als bei der herkömmlichen Telekommunikationsüberwachung wird bei dieser Art der Überwachung nicht eine Telefonleitung abgehört, sondern werden die Nachrichten direkt auf dem Endgerät ausgelesen. Daher wird anders als bei klassischen Telefonüberwachungen nicht der Anbieter zur Herausgabe der Gespräche herangezogen, sondern das auszuspähende Gerät von der Polizei selbst »gehackt«. In der Regel muss die Polizei dafür unbekannte Sicherheitslücken ausnutzen. Auf diesem Weg kann sie sich dann unbemerkt Zugriff auf ein Handy oder einen Computer verschaffen. Der Einsatz von Troja-Software wirft jedoch allerhand neuer Probleme auf: Es gibt keine »guten« und »bösen« Sicher-heitslücken. Wenn die Polizei also Schwachstellen in Handys oder Computern ausnutzt, um heimlich mitzulesen, dann bleiben diese Sicherheitslücken auch für Kriminelle offen. Mehr noch: Die Polizei entwickelt sogar ein echtes Interesse daran, dass es offene Sicherheitslücken gibt für den Fall, dass sie mal in ein Gerät »einbrechen« möchte. Dabei sollten die Beamt*innen diese eigentlich an den Hersteller und die zuständige Behörde für IT-Sicherheit melden. Der saarländische Gesetzgeber scheint sich der jahrelangen rechtlichen Debatten um Trojaner-Software jedoch nicht bewusst. Zumindest wird die knappe und widersprüchliche Begründung im Gesetzentwurf der Tragweite dieses technischen Eingriffs nicht gerecht.

Entgegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, das 2016 feststellte, dass »eine Quellen-Telekommunikationsüberwachung nur bei einer technisch sichergestellten Begrenzung der Überwachung auf die laufende Telekommunikation erlaubt ist«, soll im Saarland – so will es die Landesregierung – »auch die bereits abgeschlossene und gespeicherte« Kommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, »soweit diese im überwachten System gespeichert sind«. Auf Nachfragen des Linken-Abgeordneten Dennis Lander über die Funktionsweise der Trojaner-Software kann ein Vertreter des Innenministeriums in der mündlichen Anhörung im Innenausschuss nicht antworten. Die Datenschutzbeauftragte des Landes fordert den Gesetzgeber in ihrer Stellungnahme auf, nur solche Sicherheitslücken zu nutzen, die dem Hersteller bereits bekannt sind, um »Fehlanreize« bei der Polizei zu vermeiden.

4. Videoüberwachung

Geplant ist zudem die langfristige Ausweitung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Aufgrund von Erfahrungswerten sollen dauerhaft Kameras an bestimmten Orten installiert werden, auch Veranstaltungen sollen zukünftig vermehrt gefilmt werden. Derzeit werden bereits Personen, die sich rund um die Johanneskirche in Saarbrücken aufhalten, von der Polizei gefilmt. Am Hauptbahnhof beginnt die Videobeobachtung demnächst. Zukünftig könnten dann weitere Bahnhöfe und Plätze rund um die Uhr abgefilmt werden, mit der Begründung, dass es an diesem Objekt oder an einem anderen Objekt »dieser Art« wiederholt zu kleinen Diebstählen und zu Drogenhandel kam. Bei Veranstaltungen würde die Annahme genügen, dass Ordnungswidrigkeiten begangen werden könnten. In der Halbzeitbilanz der Landesregierung steht, dass das Ziel der Videoüberwachung ist, das »subjektive Sicherheitsgefühls« zu stärken und die objektive Sicherheitslage zu verbessern.

Tatsächlich sind objektive Effekte der Vi-deoüberwachung auf die Kriminalität nicht wissenschaftlich belegt. Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) schreibt mit Blick auf das nordrhein-westfälische Polizeigesetz, dass »der wissenschaftliche Nachweis eines allgemein kriminalitäts-reduzierenden Effekts der Videoüberwachung bisher nicht überzeugend geführt werden« konnte. Die Befundlage bezüglich des Nut-zens für die polizeiliche Ermittlung und Aufklärung ist laut des kriminologischen Forschungsberichts ebenfalls uneindeutig. Punktuelle Videoüberwachung führt mehr zu Verdrängung von Kriminalität als zu ihrer Vorbeugung. Um der sogenannten Straßenkriminalität zu begegnen, sollten deshalb Akteure der Jugend- und Sozialarbeit einbezogen werden. Hier wäre ein offener, interdisziplinärer Blick auf Präventionsangebote, etwa mithilfe von Sozialprogrammen, Bildung wie Stadt- und Raumplanung angebracht.

Vorläufiger Stand

Ende April hat sich im Saarland ein Aktionsbündnis gegen die Verschärfung des Polizeigesetzes gegründet.5 Gegen die Pläne der schwarz-roten Landesregierung stellen sich unter anderem die Jugendorganisationen von SPD, Linken, Grünen und FDP, sowie die Linksfraktion im Landtag. Außerdem die saarländische Piratenpartei und die Bündnisse »Seebrücke«, »Omas gegen Rechts« und »ConnAct Saar«. In den Anhörungen im Innenausschuss haben Jurist*innen und Expert*innen für Datenschutz umfassende Kritik geübt. Einige Abgeordnete der SPD-Fraktion sehen mittlerweile Änderungsbedarf an dem eigenen Gesetzentwurf. Von ihnen wird es abhängen, ob das Gesetz in seiner jetzigen Form im September vom Landtag beschlossen wird.

Offenlegung

Die Autorin Marie Bröckling war eine der geladenen Sachverständigen zum geplanten Polizeigesetz im saarländischen Landtag und hat im Rahmen dieser Tätigkeit eine schriftliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf eingereicht. An der im Artikel genannten Sitzung im Innenausschuss nahm sie selbst teil und wurde ebenfalls angehört.


Anmerkungen

1 Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2016 zum BKA-Gesetz. Vgl.: Constanze Kurz, »Überwa-chungskritisches Urteil zum BKA-Gesetz und zum Staatstrojaner«, »Netzpolitik.org«, 20.4.2016, online: https://netzpolitik.org/2016/ueberwachungs-kritisches-urteil-zum-bka-gesetz-und-zum-staats-trojaner/, abgerufen am 18.6.2020.

2 Auch der bayerischen Innenminister Joachim Herrmann argumentierte ähnlich. Vgl. Marie Bröckling, »Bayerisches Polizeigesetz: Billige Tricks der CSU entlarvt«, »Netzpolitik.org«, 23.4.2018, online: https://netzpolitik.org/2018/bayerisches-polizeigesetz-billige-tricks-der-csu-entlarvt/, abgerufen am 18.6.2020.

3 Vgl.: Marie Bröckling, »19 Personen wochenlang in Präventivgewahrsam«, »Netzpolitik.org«, 3.9.2019, online: https://netzpolitik.org /2019/bayerisches-polizeigesetz-19-personen-wochen-lang-in-praeventivgewahrsam/, abgerufen am 18.6.2020.

4 Solch eine Regelung findet sich beispielsweise im nordrhein-westfälischen Polizeigesetz, dort gibt es für Betroffene die Möglichkeit, die Aufnahmen einzusehen und so die Rechtmäßigkeit von polizeilichen Maßnahmen zu überprüfen. Zudem ist dort festgehalten, dass Aufzeichnungen »verschlüsselt sowie manipulationssicher gefertigt und aufbewahrt« werden müssen.

5 Vgl. »Bündnis gegen neues Polizeigesetz gegründet«, »Saarländischer Rundfunk«, 23.4.2020, online: https://www.sr.de/sr/home/nachrichten/politik_wirtschaft/buendnis_gegen_neues_polizei-gesetz_100.html, abgerufen am 18.6.2020.

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