Kolonialausstellung in Saarbrücken KOLA 1913



Mit 30,2 Millionen Quadratkilometer Fläche ist Afrika der zweitgrößte Kontinent der Erde. Wer die Ausstellung „The True Size of Afrika“ in der Völklinger Hütte besucht hat, kann sich, unter anderem, von der wahren Größe Afrikas bildlich überzeugen. Auch die vorliegende Briefmarke über die Kolonialausstellung in Saarbrücken ist in der Ausstellung prominent präsentiert.

Die Saarbrücker Hefte haben über dieses Großereignis in Saarbrücken im Jahr 1913 in der Ausgabe Nr. 122 im Winter 2020/21 ausführlich berichtet. Der Text ist jetzt online zugänglich.

Von Sadija Kavgić

Fünf Wochen dauerte die Kolonialausstellung in Saarbrücken. Sie sollte die Besucher für die Sache des deutschen Kolonialismus gewinnen. Dabei wurden auch Menschen schwarzer Hautfarbe ausgestellt.

„Schwarze Untertanen des deutschen Kaisers“, schreibt die Saarbrücker Volkszeitung in ihrer Ausgabe vom 19. April 1913, „hielten gestern in ansehnlicher Truppe, darunter Vertreter jeden Alters und Geschlechts, ihren Einzug in unsere Stadt. Kurz nach 5 Uhr trafen die ostafrikanischen Neger* auf dem Hauptbahnhof hier ein, und groß und klein ihrer weißen Brüder und Schwestern renkten sich beinah die Hälse aus, um sie genau in Augenschein zu nehmen. Es gab die reinste Verkehrsstockung auf dem Bahnhof und Beamten hatten ihre liebe Not, die Ordnung aufrecht zu erhalten. In mehreren Droschken machten die schwarzen Herrschaften alsdann eine Fahrt durch die Stadt und begaben sich schließlich in ihr ostafrikanisches Dorf in der Kolonialausstellung am Volksgarten.“

Trotz Dauerregen besuchten schon in der ersten Woche mehr als 7000 Personen die Ausstellung. Für „unsere KOLA“ wurde in allen Zeitungen und öffentlichen Aushängen geworben.

Alle Saarbrücker Zeitungen waren sich einig: Das „Negerdorf“* ist die Hauptattraktion der KOLA, der ersten Kolonialausstellung Saarbrückens, die vom 19. April bis 25. Mai 1913 stattfand. Die erste deutsche Kolonialausstellung gab es 1896 in Berlin, in den Folgejahren wurden ähnliche Schauen im ganzen Deutschen Reich veranstaltet. Sie propagierten die Expansion des Reiches nach Afrika und Asien, mit dem Ziel, Deutschland als Weltmacht zu etablieren. In den Ausstellungen wurde die „zivilisatorische Mission“ gegenüber der Bevölkerung Afrikas gefeiert und der vielfältige Nutzen der Kolonien für die Wohlfahrt der Deutschen betont. Auch für die Übersiedlung von Deutschen sollte geworben werden. 

Kaiserreich erobert Afrika

Das 1871 nach dem Sieg über Frankreich gegründete Deutsche Kaiserreich begann sein Programm imperialer Expansion ab Mitte der 1880er Jahre. „Weltmacht sein oder gar nicht sein“ war dabei die Devise. Es gab viel nachzuholen: Die Welt war schon größtenteils unter Kolonialmächten wie Großbritannien, Spanien, Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Portugal und den USA aufgeteilt. Für die herrschenden deutschen Klassen wurde die politische, militärische und ökonomische Machtausdehnung nach Übersee ein zentrales Ziel. Besonders Afrika war wegen seiner Territorien, Rohstoffquellen und Absatzmärkte interessant. Die Rechte der Einheimischen interessierten hierbei nicht. Man verachtete die Menschen aus Afrika aufgrund ihrer schwarzen Hautfarbe. Der europäische Kolonialismus versuchte, sein Handeln durch eine Ideologie, die die Menschheit anhand äußerer Merkmale in Gruppen unterteilte, moralisch zu rechtfertigen. Diesen vermeintlichen Rassen wurden unterschiedliche Wertigkeiten zugeordnet, an der Spitze dieser Hierarchie stand die weiße Bevölkerung.

Saarländische Kolonialsoldaten beim Völkermord in Namibia

Vorreiter der kolonialistischen Landnahme waren Abenteurer, Geographen und Geschäftsleute, die den Kontinent erkundeten. Diesen folgten christliche Missionare und in deren Gefolge okkupierten bereits erste „Schutztruppen“ unter Einsatz militärischer Gewalt riesige Landflächen. Waffen- und Menschenhandel, Abbau von Bodenschätzen wie Diamanten und Kupfer, die Rohstoffe Kautschuk und Baumwolle sowie Landwirtschaftsprodukte wie Kakao, Palmöl und Palmkerne erwiesen sich für die Privatunternehmer als sehr lukrativ. Den Widerstand der Einheimischen gegen Enteignung und Unterdrückung brach man mit überlegener Waffentechnik, einer endlosen Reihe von Massakern und einem Genozid. 1904 bricht in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, ein Volksaufstand der Herero und Nama Bevölkerung aus. Dieser wird durch deutsche Truppen brutal niedergeschlagen. Am 25. Mai 1913 ist man in Saarbrücken stolz auf die Beteiligung saarländischer Kolonialsoldaten an diesem Völkermord: Zum Abschluss der Kolonialausstellung findet eine öffentliche Kundgebung statt, auf der die Fahne der saarländischen Kolonialtruppen – deren Angehörige sich selbst als ehemalige Afrikaner bezeichnen – geehrt wird. Vor den Anwesenden stellt der oberste Repräsentant Preußens in Saarbrücken und Schirmherr der Ausstellung, Landrat Walter v. Miquel, laut Volkszeitung fest: „Als damals der Ruf zum freiwilligen Eintritt in den Krieg gegen die räuberischen Horden in Südwest ergangen ist, ist dieser Ruf nicht vergebens gewesen“.

Der Verein ehemaliger Afrikaner in Saarbrücken und Umgebung war stolz auf die Beteiligung saarländischer Kolonialsoldaten an der Niederschlagung des Volksaufstands der Stämme der Herero und Nama 1904-1908. Erst im Oktober 2015 erkannte die deutsche Regierung diesen Vernichtungskrieg als „ein Kriegsverbrechen und Völkermord“ an. 

Die „ehemaligen Afrikaner“ organisierten sich in ganz Deutschland unter dem Spruch: „Über Land und Meer für Deutschlands Ruhm und Ehr“. Die Saarbrücker Sektion war es auch, die zusammen mit der Kolonialgesellschaft Saarbrücken die Saarbrücker KOLA ausrichtete.

Die Großstadt Saarbrücken

Die industrielle Transformation der Saarregion seit Mitte des 19. Jahrhunderts veränderte auch Saarbrücken nachhaltig. Der beispiellose ökonomische und soziale Wandel begann mit dem Anschluss an das preußische Eisenbahnnetz und der Ansiedlung neuer Industriebetriebe, beginnend mit der Burbacher Hütte 1857. Aus der beschaulichen Residenzstadt Saarbrücken wurde ein prosperierendes Industrie-, Militär- und Verwaltungszentrum. Die Stadt wurde von einer kleinen bürgerlichen und feudalen Elite politisch kontrolliert, deren Herrschaft durch das bis 1918 geltende preußische Dreiklassenwahlrecht abgesichert wurde. Bei den nicht geheimen Wahlen waren nur männliche Steuerzahler ab 24 Jahren wahlberechtigt. Dies sorgte dafür, dass die übergroße Mehrheit der Bevölkerung keine wirksame Interessenvertretung hatte.

Die Slums von Malstatt und Burbach

Die ungleiche Verteilung von Macht und Reichtum zeigte sich auch in der Siedlungsstruktur: Der „König von Saarabien“, einer der mächtigsten Industriellen Preußens, Carl Ferdinand von Stumm-Halberg, residierte in seinem Halberger Schloss, während Tausende Gruben- und Hüttenarbeiter in den Slums von Malstatt und Burbach lebten. Das Bevölkerungs- und industrielle Wachstum machte es dennoch notwendig, die öffentliche Infrastruktur auszubauen. Bald verfügte die Stadt über Gas- und Elektrowerke, die Straßenbahn und erste Kraftwagen fuhren durch die Straßen, es gab ein Telefonnetz mit privaten Anschlüssen. Die Kanalisation ergoss sich allerdings in die Saar, was zu häufigen Typhus-Erkrankungen führte. Trotz des Aufschwungs blieben die Löhne niedrig und bedeuteten für die Masse der Bevölkerung ein Leben in Armut und Unsicherheit. Die Gewerkschaften wurden durch den Staat und die Fabrikbesitzer massiv unterdrückt und die Mitglieder der SPD zu Reichsfeinden erklärt, die mit allen Mitteln bekämpft wurden. 

Der preußische Offizier als Erzieher

Saarbrücken galt als Bollwerk des Kaiserreichs im Westen. Kasernen und Militärs prägten das Stadtbild. Omnipräsent war die Erinnerung an die mythisch überhöhte blutige Schlacht vom 06. August 1870 in Spichern: Sie wurde zum Sinnbild des saarländischen Beitrags zum Sieg über Frankreich. Eine nationale Heldensaga entstand, die bis heute, u. a. auf dem Gemälde an der Westwand des Saarbrücker Rathausfestsaals, ohne jegliche historische Distanz gefeiert wird. Unzählige Kriegerdenkmäler wurden seit 1870 gebaut, meist finanziert von Privatspendern, an deren Spitze die Familienclans der Stumms und Röchlings standen. Sie prägen bis heute die Erinnerungslandschaft des Saarlandes. 

Militärische Paraden und Musikkapellen waren im Saarbrücker Alltag allgegenwärtig: Die gesamte Gesellschaft war nach Regeln des preußischen Militärstaates organisiert. Das höchste gesellschaftliche Ansehen genoss, weit vor akademischen Berufen und erfolgreichen Unternehmern, der preußische Offizier.

Zwar galt die allgemeine Schulpflicht, doch das marode Volksschulwesen eröffnete für die Masse der Arbeiterbevölkerung keinerlei Perspektive auf eine höhere Bildung und sozialen Aufstieg. Als Volksschullehrer wurden oft ehemalige Unteroffiziere eingesetzt, deren Pädagogik daraus bestand, Unterordnung, Gehorsam und Liebe zum Vaterland und seinem Kaiser zu lehren.

Mädchen für Südwest

Die deutsche Kolonialpolitik fand in Saarbrücken eine breite Unterstützung, und ihre Anhänger organisierten sich in einer Vielzahl von Vereinen, Wohltätigkeitsorganisationen und Veteranenverbänden, die politisch und ideologisch mit den konservativen Parteien und radikalnationalistischen Massenorganisationen verbunden waren.

Frauen aus der Oberschicht spielten dabei eine wichtige Rolle. Der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft machte sich zur Aufgabe, in den Kolonien „deutschen Familiengeist und deutsche Art zu pflegen“. So betätigte sich, laut der Festschrift des Frauenbunds Deutschland zu seinem 10-jährigen Jubiläum, deren Saarbrücker Abteilung an „Veranstaltung von Kolonial-Vorträgen, Auswahl von Mädchen für Südwest, Kolonial-Patenschaften. Kriegsanleihen. Sammlung für die Kriegsgefangenen in Südwest. Beteiligung an einer Kolonialausstellung in Saarbrücken“.

Der Kolonialfrauenbund Saarbrücken wurde 1910 gegründet und zählte am 1. März 1918 unter dem Vorsitz von Frau Anna Böcking, geb. Ammon und Schatzmeisterin Frau (Georg) Heckel 107 Mitglieder.

Menschliche Schädel als Prunkstücke

Am 19. April 1913 wurde die Ausstellung unter der Schirmherrschaft des Landrats v. Miquel feierlich eröffnet. Anwesend waren zahlreiche Offiziere, Vertreter der Stadt, der Kolonialgesellschaft, der Presse und viele „ehemalige Afrikaner“. Allerdings war die KOLA am Eröffnungstag noch nicht fertiggestellt und der Platz vom Dauerregen aufgeweicht. Die Kapelle des in Saarbrücken stationierten Infanterie-Regiments Nr. 70 spielte „einen schneidigen Eröffnungsmarsch“, anschließend gab es einen Rundgang. Ausgestellt wurden allerlei exotische Exponate, Zweige von Kautschukbäumen, Baumwollsträucher, sämtliche Rohstoffe, alles ergänzt durch zahlreiche Fotos. Einige Waren konnten vor Ort gekauft werden, und einen Katalog gab es auch. „Sehenswerte, kostbare Zuwendungen empfing die Ausstellung von privater Seite. Die Sammlungen von Geweihen, Fällen, Schädeln, seltenen Präparaten und Jagdtrophäen“ (Saarbrücker Neueste Nachrichten, 21.4.1913) wurden ebenfalls ausgestellt.

Was aus dem Haifisch, der am 22. April 1913 nach Saarbrücken geliefert wurde „und welcher, obgleich er auf Eis liegt, nicht lange zu erhalten sein wird“ (ebd.) geworden ist, ist nicht überliefert. Neben den Ausstellungspavillons stand ein großer Vergnügungspark mit „neuesten amerikanischen Attraktionen“ wie Fröhns Lustige Tonnen, Kings Rodelsportbahn und Begemanns Hippodrom. Angekündigt wurde auch das Aufsteigen von Zeppelin-Luftschiffen sowie von Frei- und Fesselballons. Jedoch fanden sich keine Belege, dass dies auch stattgefunden hat.

Berichte aus Deutsch-Ostafrika

Für Besucher war die Ausstellung täglich von 9 bis 21 Uhr geöffnet. Angeboten wurden Führungen und Vorträge. Die Eintrittspreise waren von 15 bis 50 Pfennig gestaffelt. Militär, Kinder und Organisatoren samt Familienmitgliedern hatten freien Eintritt. Eigens für die Ausstellung wurde auch eine Sonderbriefmarke herausgegeben (s. Heft 121, Erich Später: Tradition der Verachtung und Gewalt, S. 85). KOLA-Werbeanzeigen waren in öffentlichen Aushängen und allen Zeitungen zu sehen. Letztere berichteten regelmäßig über die Ausstellung und freuten sich, wenn es Positives zu vermelden gab: „Am Samstagnachmittag kamen etwa 12 Knabenklassen von auswärts zur Ausstellung. Gestern Nachmittag besuchten die Knabenklassen der Volksschule von Sankt Johann die Ausstellung“ (Volkszeitung, 29.4.1913).

Gut besucht waren die Vorträge der Redner, die Afrika schon bereist hatten. Bei Oberleutnant Richelmann, der u. a. „aus der reichen Fülle seiner Erinnerungen von seinem ersten Aufenthalte im Gefolge Wißmanns* in Deutsch=Ost=Afrika als dessen Offizier“ (St. Johanner Zeitung, 26.4.1913) berichtete, war der Saal überfüllt. (*Hermann Wissmann, Anm.d.Verf.) Große Interesse galt auch dem Vortrag „Unter den Kannibalen und Zwergen Süd-Kameruns“.

30.000 Besucher in fünf Wochen

Das verlängerte Pfingstwochenende am 11. und 12. Mai brachte Besuchermassen zum Stadtgarten, der sich auf dem Gelände des heutigen Busbahnhofs befand. Die Königliche Eisenbahndirektion stellte zahlreiche Sonderzüge zur Verfügung.

„Der Pfingstmontag brachte Tausende von Fremden nach hier. Die Straßen wimmelten nur so von Menschen, so dass kaum mehr durchzukommen wahr. Die Geschäftsleute, namentlich die Restaurateure, hatten alle Hände voll zu tun“ (Saarpost, 13. Mai 1913).

Die St. Johanner Zeitung vermerkte den Besuch des „Bürgerlichen Gesangvereins in Waldfischbach (Pfalz) mit Frauen und Kindern“, die selbstverständlich zuerst historische, nationale Wallfahrtsorte wie Spichern, Ehrenthal und das Winterbergdenkmal besuchten. Insgesamt verzeichnete die KOLA Saarbrücken in knapp fünf Wochen 30.000 Besucher.

Afrikanische Erde für die Saar-Kameraden

Schon in der ersten Woche besuchten mehr als 7000 Personen die Ausstellung. „Die großen Mühen und Kosten der Aussteller und Veranstalter“, schreibt ein Journalist der Saarpost, „werden ihren reichlichen Lohn darin finden, dass die gesamte Ausstellung mithelfen wird, den Ruf Saarbrückens, auf kolonialem Gebiete, an Arbeit und Aufklärung in Deutschland eine erste Stelle einzunehmen, zu festigen.“

Dieser Ruf reichte bis ins Jahr 1935, als sich das Saarland per Volksabstimmung mit Hitler-Deutschland vereinigte. Zum Abschluss der vom 13.–16. Juni 1935 in Freiburg stattgefundenen Reichskolonialtagung, mit u. a. über 900 anwesenden Kolonialsoldaten, pflanzte der, auch an den Kolonialkriegen beteiligte, Nazi-General Ritter von Epp eine Eiche. Eigens dazu hatte der Deutsche Kolonialkriegerverein die Erde aus Deutsch-Südwestafrika kommen lassen. Die Hälfte dieser Erde übergab der General „dem Kolonialkriegerverein Saarbrücken als Vorort aller im Saarland lebenden alten deutschen Kolonialsoldaten und in besonderer Anerkennung für ihren selbstlosen, vorbildlichen Kampf um die Befreiung der Saarlande […]

„Die Saar-Kameraden, Vorposten im deutschen Südwesten, sollen diese Erde bewahren und heilig halten, weil auch sie aus einem Lande stammt, das mit deutschem Blut und Schweiß gedüngt und in treuester Volkstumsarbeit deutsch gemacht worden ist.“ (Der Alemanne, Nr. 165, 15.06.1935).

In einem weiteren Bericht heißt es dann: „Die Kameraden des Saarlandes, die 15 Jahre unter fremder Herrschaft standhielten, seien die gegebenen Hüter dieser heiligen Erde, bis das afrikanische Land, dem sie entnommen und das deutsch geblieben sei im Herzen der Bevölkerung, ebenso wie das Saarland mit dem Mutterland wieder vereinigt sei. Unter feierlicher Stille übernahm der Bezirksführer Espenschied und der Vereinsführer Spörkrnann die afrikanische Erde, die in einer chinesischen, aus dem einstigen deutschen Pachtgebiet Kiautschou stammenden bronzenen Truhe verwahrt war, für den Saarbrücker Verein.“

„Alle Zeit treu bereit für des Reiches Herrlichkeit“ in den Kriegen 1970/71, 1914/18 und 1938/45 – dafür wird das Infanterie-Regiment 70 mit einem Denkmal in der Nähe des Landgerichts des Saarlandes heute noch verherrlicht.

Die Fahnenweihe der ehemaligen Afrikaner am Landwehrplatz

Den 25. Mai, den letzten Tag der KOLA, nutzte der ausrichtende Verein, um seine neue Fahne einzuweihen. Die Volkszeitung (19.5.1913) beschreibt sie wie folgt: „Die eine Seite zeigt auf schwarz-weiß-rotem Untergrunde den deutschen Reichsadler mit der Umschrift ‚Verein ehemaliger Afrikaner Saarbrücken und Umgegend‘. Die andere Seite zeigt die Germania mit Schiff und Tropenlandschaft. Die vier Ecken zieren die Namen der Kolonien: Togo, Kamerun, Deutschostafrika, Deutsch Südwestafrika.“

Die Zeremonie spielte sich laut Volkszeitung vom 27.5.1913 so ab: „Gegen 2 Uhr stellte sich der Festzug auf dem Landwehrplatze auf, während der festgebende Verein sich am Restaurant ‚Tonhalle‘ sammelte und von dort mit klingendem Spiel zum Sammelplatz marschierte. Im Festzuge waren vertreten 8 Fahnen und Standarten, 2 Musikchöre, sowie 50 Soldaten des 70. Infanterie-Regiments in der Uniform der Schutztruppler zu Fuß und Ulanen zu Pferde, sowie die Jugendwehr von Burbach.[…]

„Das neue Banner wurde von 18 weißgekleideten Ehrenjungfrauen getragen. Der Festzug bewegte sich durch die Hauptstraßen der beiden Stadtteile Alt-Saarbrücken und Sankt Johann zum Festplatze, dem Johanner Volksgarten. Der Vorsitzende des festgebenden Vereins Herr Grandjean […] gelobte, gleich wie die Mitglieder tapfer gegen Herero und Bondelswarts gefochten, so auch ferner treu zu Kaiser und Reich zu stehen.“

Einer der Gratulanten war Lothar von Trotha, der als kommandierender General die militärische und moralische Verantwortung für den Genozid an den Herero und Nama von 1904 trug. Damit endete die Kolonialausstellung.

Das „Afrikaner Dorf“ und Häuptling Ogas

Aber wie ist es mit den ausgestellten „schwarzen Untertanen des Kaisers“ in ihrem „Dorf“ in Saarbrücken weitergegangen? Sie mussten sich „stündlich produzieren“ – so arbeiteten vor den Augen der Neugierigen die Waffenschmiede, Weber, Töpfer und Flechter. „Auch eine Küche ist vorhanden, in der den hungrigen Mäulern das Essen zubereitet wird“, schreibt der Lokalanzeiger. Die Bewunderung galt dem „Häuptling Ogas“ und seinem aus drei minderjährigen Frauen bestehenden Harem. „Und noch etwas ist da“, so der Lokalanzeiger, „was man nicht vermutet hätte, und was den Beweis gibt, daß unsere schwarzen Landsleute im dunkeln Erdteil sich auch strebend bemühen, die Segnungen europäischer Kultur sich zugänglich zu machen, nämlich eine wahrhaftige Schule. Da sitzen sie drinnen, die kleinen Bengels mit Büchern und Heften vor sich und eine junge schöne Lehrerin ist bemüht, ihnen die Anfangsgründe der Lesekunst beizubringen. Originell wirkt es, wenn die kleinen Neger* mit gebrochenem Deutsch und fremdländischen Accent plötzlich im Chor das Lied anstimmen ‚Deutschland, Deutschland über alles…‘.“

Das weitere Schicksal dieser Menschen ist unbekannt.

Die Kolonialgeschichte Saarbrückens ist bisher nicht erforscht. Es gibt keine Untersuchungen über die militärische und ökonomische Beteiligung der Stadt an der deutschen Kolonialexpansion. Dagegen ist der öffentlicher Raum von Straßennamen und Denkmälern besetzt, die deren Traditionen und Akteure in Ehren halten. Einzelne Initiativen zur Umbenennung der nach Kolonialhelden benannten Straßen in Saarbrücken und Völklingen sind bisher gescheitert.

*Diese Bezeichnung wird in den Originalquellen benutzt und hier zitiert.

Als Quellen wurden die im Stadtarchiv Saarbrücken aufbewahrten Tageszeitungen genutzt. In mehreren dieser Zeitungen erschienen auch die abgebildeten Anzeigen. Zur Geschichte der Stadt Saarbrücken wurde das gleichnamige Standardwerk, Hrsg. Rolf Wittenbrock, 1999, SDV, Saarbrücker Druckerei und Verlag GmbH herangezogen. Die Kolonialgeschichte Saarbrückens wird darin allerdings nicht behandelt. Für seine Unterstützung bedanke ich mich bei Herrn Dr. Heiko Wegmann vom Forschungs- und Bildungsprojekt Freiburg Postkolonial.

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