Honoraraffäre: Jamaika-Koalition unter Druck


Von Wilfried Voigt

GIU-Geschäftsführer Martin Welker steht mal wieder im Mittelpunkt einer Affäre. Im Gästezimmer seines Hauses fanden Ermittlungsbeamten einen Koffer mit fast 400.000 € in bar. Welker wusste von diesem Schatz in seiner Wohnung nichts und behauptet, dass sein (Ex?)Geschäftspartner, der Bauunternehmer Giehl, das Geld dort versteckt hat. Über die Skandale rund um die GIU und Welker hat Wilfried Voigt bereits vor einem Jahr in den Saarbrücker Heften #124 geschrieben.

Ein bizarrer Finanzskandal rund um die Städtische Gesellschaft für Innovation und Unternehmensförderung mbH (GIU) belastet seit mehr als einem Jahr die Saarbrücker Kommunalpolitik und erschüttert die lokale Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP. Es geht vor allem um intransparente, millionenschwere Honorarforderungen des GIU-Geschäftsführers Martin Welker aus seiner früheren anwaltlichen Beratungstätigkeit für den Betrieb und die Stadt.

Wegen eines 2017 ausgehandelten Vergleichs über rund 1,8 Millionen Euro zwischen der GIU und Welker ermittelt die Staatsanwaltschaft Saarbrücken. Ein Verdacht: Welker seien bei diesem Deal womöglich unberechtigt Summen zuerkannt worden, die eigentlich verjährt sind. Dabei wurde der fette Betrag offenbar noch gar nicht überwiesen. Im Februar 2021 eskalierte der obskure Streit ums Geld. Laut Saarbrücker Zeitung ließ Welker zwei Mahnbescheide gerichtlich zustellen: einen über 1,7 Millionen Euro an die Stadt, hundertprozentige Eigentümerin der GIU, und einen über rund 2,4 Millionen direkt an die Firma – quasi an sich selbst. Die immense Summe verlangt der Manager (angebliches Jahresgehalt: 180.000 Euro) für lange zurückliegende Leistungen. Ein beispielloser Vorgang selbst im skandalerprobten Saarland.
In einem Gespräch mit den Saarbrücker Heften wollte der Geschäftsführer nichts zu den Beträgen sagen: »Das ist vertraulich.« Dann machte er doch eine kryptische Andeutung: »Stellen Sie mal die Frage: Warum wurde ich nicht bezahlt? Es gab doch einen Vergleich, der zur Zahlung verpflichtete.« Da seien die Ansprüche bereits geprüft worden. Welker: »Mein Fehler war, dass ich mich auf Hinhaltereden eingelassen habe.« Das klingt nach einem heftigen Konflikt in der Vergangenheit.
Hinweise darauf finden sich unter anderem im Protokoll der GIU-Aufsichtsratssitzung vom 23. Oktober 2020. In dieser Runde, der Vertreter der im Stadtrat vertretenen Parteien angehören, erläuterte Welker, der die Gesellschaft von 1999 bis 2020 freiberuflich betreute, »die Historie und wie es dazu kam, dass es erst im Jahre 2017 zu einer Vergleichsvereinbarung kam«. Die städtische Gesellschaft sei 1999 mit »existenzgefährdenden Rückzahlungsansprüchen aus Förderungen betreffend die Saarterrassen« konfrontiert worden. Damals seien »flächendeckend Fehler in den Vergabeverfahren« gemacht worden. Dies war offenbar der Anlass für den Einstieg des Vergabespezialisten Welker in das kommunale Unternehmen. Er sei »immer in Notfällen eingesprungen« – und machte sich so bald unentbehrlich. Als der damalige Geschäftsführer Jürgen S. 2010 erkrankte, habe Welker »quasi die Geschäftsführung übernommen«. Es gab wohl mehrere Versuche, »die Honorierung Welkers zu regeln, jedoch ging es der GIU finanziell zeitweilen nicht gut«. Und: »Zusätzlich wurde es auch immer schwieriger, diese Problematik dem Aufsichtsrat zu erläutern.« Beim »OB-Jour-Fixe« mit der damaligen Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) im März 2017 sei »das Problem der fehlenden Rechnungsstellung durch die Geschäftsleitung angesprochen« worden. Laut Protokoll wollte Britz »die Angelegenheit bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung geklärt haben«.

Sollten Honorarrechnungen manipuliert werden?

Wegen der bisweilen angespannten Finanzlage sollten laut einer »mündlichen Vereinbarung« zwischen dem damaligen GIU-Geschäftsführer Jürgen S. und Martin Welker die Rechnungen des Anwaltes, so steht es im Protokoll, »auf eher rentable Projekte geschrieben werden«. Weiter heißt es dazu: »Herr Welker hat diese Logik verstanden, denn am Ende hätte die GIU FM KG nicht mehr bezahlt, es wäre nur anders verteilt worden. Hierzu sollte Herr Welker eine Aufstellung erhalten, die er aber nie bekommen hat. Daher hatte er die Rechnungen noch nicht erstellen können.« Warten auf fingierte Belege?
Michael Sponholz, zweiter Geschäftsführer bei der GIU, hatte sich bis zu seinem Ausscheiden Ende März 2021 geweigert, die Honorarforderungen seines Kollegen Welker zu begleichen. Er berief sich dabei auf ein von ihm selbst in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten der Saarbrücker Anwaltskanzlei Rapräger. Die stellte fest, dass »weder die »Sammelrechnung … für die Leistungszeit bis Ende 2016 noch die Folgerechnungen … prüfbar sind«. So fehlten etwa konkrete Angaben der jeweiligen »Leistungszeit«. Dies werde so »von der zuständigen Finanzverwaltung nicht anerkannt«. Sponholz blockierte die Auszahlung aber auch mit Blick auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Sein Geschäftsführervertrag wurde nicht verlängert.
Als wäre dies nicht Zoff genug, ist Welker zusätzlich in eine erbittert geführte Fehde mit Philipp Gross verstrickt, dem geschäftsführenden Gesellschafter der Firma Peter Gross Bau, mit mehr als 1.400 Beschäftigten der Gigant der Branche im Saarland. Gross ist zugleich Vizepräsident der saarländischen Industrie- und Handelskammer und gilt als FDP-Mann. Im Zentrum dieses öffentlich und exzessiv ausgetragenen Schlagabtauschs steht der Ausbau des Saarbrücker Ludwigsparkstadions, bei dem die Kosten, wie schon bei anderen unrühmlichen Großprojekten im Saarland (Museum Moderne Galerie, Meeresfischzucht Völklingen), explodiert sind: von ursprünglich vorgesehenen 16 auf unterdessen geschätzt 47 Millionen Euro. Zahlen muss die hoch verschuldete Stadt.
Auch in diesen Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft. In einer polizeilichen Vernehmung am 4. September 2020 belastete Welker die Firma Peter Gross, die die Tribünen und ein Funktionsgebäude im Ludwigsparkstadion errichtete, schwer. Angeblich seien Rechnungen (Auftragsvolumen: insgesamt rund zehn Millionen Euro) in Höhe von etwa einer Million »wegen grober Baumängel« noch nicht beglichen, da die Arbeiten »teilweise nicht sach- und fachgerecht ausgeführt worden« seien. Die Schlussrechnungen waren laut Welker »inhaltlich teilweise nicht nachvollziehbar«. Es seien Leistungen abgerechnet worden, die »nicht erbracht worden sind, und zum anderen waren in Teilen die abgerechneten Leistungen umfangreicher als die Beauftragungen«. Außerdem gebe es »Gegenforderungen wegen Verstößen gegen das Saarländische Tariftreuegesetz«. Angeblich wurden einige Beschäftigte eines Subunternehmens nach einem zu niedrigen Tarif bezahlt. Ein Frontalangriff auf das 135 Jahre alte Familienunternehmen Gross.

Philipp Gross beklagt Rachsucht des GIU-Chefs. Foto: BeckerBredel


Falsche und diskreditierende Aussagen


Die Vorwürfe sickerten in die lokalen Medien und sorgten schnell für erheblichen Aufruhr unter Kommunalpolitikern und in der Baubranche. Philipp Gross schlug zurück. In einem offenen Brief vom 29. Oktober 2020 an die Mitglieder des Saarbrücker Stadtrates bezichtigte er Welker, »nachweisbar« falsche Behauptungen erhoben zu haben. Gross: »Aus den erteilten Aufträgen sowie aus den Schlussrechnungen, aber auch den bereits geprüften Rechnungen ergibt sich, dass nur erbrachte Leistungen abgerechnet worden sind und dass zu keinem Zeitpunkt Leistungen jenseits der Beauftragung abgerechnet wurden.« Mit einem öffentlichen Faktencheck verfolgte Philipp Gross das Ziel, »falsche und diskreditierende Kernaussagen von Herrn Welker durch die Präsentation der Fakten als unwahr zu entlarven«. Noch immer wartet Philipp Gross auf die Begleichung von rund 850.000 Euro.
Weil er weitere Folgen solcher Art verhindern wollte, verklagte Gross den GIU-Chef, die rechte Hand des Oberbürgermeisters in Sachen Ludwigsparkstadion, auf Unterlassung der Vorwürfe. Aber ausgerechnet jene Anschuldigungen, die sich auf angebliche Baumängel und falsche Abrechnungen beim Ludwigsparkstadion beziehen, wurden letztlich vom Saarländischen Oberlandesgericht nicht unterbunden. Der 5. Zivilsenat des OLG wertete die Darstellung Welkers als »Meinungsäußerungen … in dem öffentlich geführten Streit über die Berechtigung der Schlussrechnung« der Firma Gross. »Insbesondere vor dem Hintergrund des öffentlichen Interesses an Information über die Geschehnisse am Projekt Ludwigspark« stufte das Gericht Welkers Erklärungen als »zulässige Meinungsäußerungen« ein, auf deren Unterlassung der Bauunternehmer »keinen Anspruch« habe.
In einem wichtigen Punkt entschied die 5. Zivilkammer jedoch zugunsten von Gross. Welker wurde laut einer Pressemitteilung des OLG untersagt, »öffentlich zu behaupten, dass es bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Saarbrücken im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben Ludwigsparkstadion um Fälle der Korruption« gehe.
CDU-Oberbürgermeister Uwe Conradt, GIU-Aufsichtsratsvorsitzender und damit oberster Kontrolleur des städtischen Unternehmens, hat sich im Scharmützel der Bauleute jedenfalls eindeutig auf die Seite von Martin Welker geschlagen.
Die Vorgeschichte: Als im Juli 2020 die Gefahr drohte, dass der 1. FC Saarbrücken, unterdessen in die 3. Fußball Bundesliga aufgestiegen, sein Stadion zum Auftakt in die neue Saison gar nicht nutzen kann, holte CDU-Oberbürgermeister Uwe Conradt Welker als Retter in der Not. Der Christdemokrat machte den parteilosen Anwalt, der bereits seit 1999 freiberuflich für die Gesellschaft und die Stadt arbeitete, zum GIU-Geschäftsführer und Stadionmanager. Mehr als vier Jahre lang hatte der 1. FC wegen des Bauchaos am Ludwigspark seine Spiele im Völklinger Hermann-Neuberger-Stadion austragen müssen. Am 26. September 2020 war es dann so weit, der Club konnte zum ersten Heimspiel im noch unfertigen Stadion auflaufen. Der Deutsche Fußballbund ließ zwar nur 900 Zuschauer für das Spiel in der Baustelle zu. Da damals viele nicht damit gerechnet hatten, dass es überhaupt klappen würde, war die Freude groß und die Karten schnell vergriffen. Als die Saar-Kicker die Gastmannschaft Hansa Rostock schließlich zwei zu null schlugen, kannte die Begeisterung – vorübergehend – kaum Grenzen.


Duo: OB-Conradt (r), Martin Welker. Foto: Andreas Schlichter

Conradt wollte Welker als Baudezernent


Auch bei Oberbürgermeister Uwe Conradt. Er war offenbar derart angetan vom plötzlich schnellen Baufortschritt, dass er dem von ihm eingesetzten Stadionchef und GIU-Geschäftsführer die Stelle des städtischen Baudezernenten offerierte. Frei wurde die Position überraschend, nachdem Professor Heiko Lukas seinen vorzeitigen Abgang zum 30. September 2020 verkündet hatte. Lukas war erst im April 2016 als Nachfolger der von der damaligen rot-rot-grünen Koalition nicht wiedergewählten Architektin Rena Wandel-Hoefer ins Amt gekommen, das regulär acht Jahre dauert. Der Hochschullehrer wollte die Jamaika-Konstellation in Saarbrücken offenbar nicht weitere dreieinhalb Jahre ertragen. Ihn zog es zurück in die Hochschule. Damit war der Weg frei für einen Dezernenten nach Gusto des Christdemokraten.
Welker gegenüber den Saarbrücker Heften: »Ich habe nicht von mir aus für das Amt als Baudezernent kandidiert, ich gehöre keiner Partei an. Mir ist das Amt vom Oberbürgermeister angetragen worden. Wenige Tage nach dem ersten Spiel des 1. FC im neuen Stadion sagte Conradt, er hätte gern, dass ich die Nachfolge von Dezernent Lukas antrete.« Welker reagierte nach eigener Darstellung sehr skeptisch: »Ich sagte ihm, ich hätte nicht das richtige Profil, ich bin viel zu ungeduldig. In einem politischen Amt kann man nicht so direkt und schnell wie auf einer Baustelle arbeiten.« Schließlich stimmte er doch zu.

Conradt, der bei der Stichwahl am 9. Juni 2019 die sozialdemokratische Oberbürgermeisterin Charlotte Britz überraschend mit einem extrem knappen Vorsprung von 274 Stimmen geschlagen hatte, war wohl derart euphorisiert, dass er sich seiner Sache mit Welker sicher war. Immerhin hatte die SPD nach 43 Jahren ihre Hochburg im Saarland verloren. Am 1. Oktober 2019 begann die Amtszeit von Conradt als Rathauschef. Der ehemalige Direktor der Landesmedienanstalt des Saarlandes verkündete unbescheiden seine große Vision. Er wolle Saarbrücken zum wichtigsten Zentrum zwischen Frankfurt und Paris entwickeln.
Auf dem langen Weg dorthin benannte Conradt, der bis zu seinem Einzug ins OB-Büro bereits zehn Jahre Erfahrung als Mitglied der CDU-Fraktion im Stadtrat gesammelt hatte, zunächst ein schneller erreichbares Zwischenziel, das nicht nur die Gemüter der Fans des 1. FC Saarbrücken schon lange erhitzte: der Umbau des Ludwigsparkstadions. Das – im Erfolgsfall – Popularität versprechende Projekt erklärte der ehrgeizige Christdemokrat sofort beim Amtsantritt »zur Chefsache«. Die ehemals marode Fußballarena sollte endlich in neuem Glanz erstrahlen.
Dafür erschien ihm Martin Welker der richtige Mann. Der Bauexperte und Spezialist für Vergaberecht gilt in der Branche als rustikal, ein Macher, der auch mal einen rüden Ton anschlägt und weiß, wie man eine Baustelle am Laufen hält. Deshalb favorisierte er ihn auch als den richtigen Kandidaten für das Amt des Baudezernenten. Aber es kam alles ganz anders.
Am 23. Oktober, zwei Wochen vor dem geplanten Wahltermin am 5. November, befasste sich der GIU-Aufsichtsrat gleich mit drei brisanten Tagesordnungspunkten, bei denen jeweils Martin Welker im Mittelpunkt stand. Unter TOP 2 ging es um den Umbau des Ludwigsparkstadions. Aufsichtsratsvorsitzender Uwe Conradt betonte laut Protokoll »die Wichtigkeit dieses Projektes«. Durch Martin Welker sei es möglich gewesen, »im September bekannt zu geben, dass alle Spiele des 1. FC im Ludwigsparkstadion gespielt werden können«. Im Protokoll ist vermerkt: »Herr Conradt dankt Herrn Welker für seine enorme Arbeitsleistung.« Der ergreift gleich im Anschluss das Wort und stellt zufrieden »einen enormen Fortschritt während der kurzen Zeit« fest. Dann berichtet Welker von diversen angeblichen Baumängeln, die er, wie zuvor beschrieben, bereits im September in einer polizeilichen Vernehmung erhoben hatte – »verursacht durch die Firma Peter Gross«.
Unter TOP 3 wurde ein weiteres delikates Thema aufgerufen, bei dem Welker eine zentrale Rolle spielte: das Vergabeverfahren für den Neubau eines Verwaltungsgebäudes für das Sozial- und Jugendamt des Regionalverbandes im Quartier Eurobahnhof, Europaallee 11. Eines der letzten großen Projekte der GIU. Ende Dezember 2017, so die ursprüngliche Planung, sollten die Ämter in das Gebäude mit einer Fläche von mehr als 10.000 Quadratmetern umziehen. Die vorgesehene Jahresmiete: ca. 1,8 Millionen bei einer Laufzeit von mindestens 15 Jahren. Fünf Firmen bewarben sich bei der Ausschreibung, drei kamen in die zweite Runde: darunter die Firma Peter Gross.
Den günstigsten Preis bot die ConceptBau aus St. Ingbert mit rund 12,2 Millionen Euro. Gross lag mit etwa 13 Millionen Euro auf dem dritten Platz, was die Firma nicht ohne Widerspruch akzeptieren wollte. Bei der Vergabekammer des Landes rügte sie mehrere, aus ihrer Sicht gravierende Verfahrensfehler, drang damit aber erstinstanzlich nicht durch. Weil durch die lange Dauer dieser juristischen Auseinandersetzung die Fertigstellung des Verwaltungsgebäudes nicht mehr fristgerecht erreicht werden könne, hob die GIU auf Rat von Welker das Vergabeverfahren auf. Damit waren alle Bieter aus dem Rennen. Anstatt ein Generalunternehmen zu beauftragen, bei dem alles in einer Hand liegt, baute die GIU das Gebäude schließlich in eigener Regie, an die 80 einzelnen Gewerke wurden ausgeschrieben. Kosten: angeblich rund 14 Millionen Euro.
Die Sache hatte ein Nachspiel. Denn die Firma Peter Gross gewann schließlich beim Vergabesenat des Saarländischen Ober­landesgerichtes gegen die GIU, vertreten durch Welkers eigene Kanzlei (Welker&Mann). Am 20. November 2019 verkündete das OLG, »dass die Durchführung des Vergabeverfahrens und dessen Aufhebung rechtswidrig waren«. Gross sei dadurch in seinen Rechten verletzt worden. Die GIU muss die Verfahrenskosten des Klägers zahlen und Ersatz für den Planungsaufwand der Baufirma leisten. Insgesamt ist von einer Summe von knapp 100.000 Euro die Rede.

Peinliches Nachspiel vor Gericht


Ein herber Schlag für den GIU-Geschäftsführer. Die OLG-Richter kritisierten eine Doppelrolle von Welker. Einerseits habe er das Vergabeverfahren für die GIU geführt, und »zeitgleich« den Gross-Konkurrenten ConceptBau in einem anderen Fall vertreten. Im Urteil heißt es: »Die Welker&Mann Rechtsanwaltsgesellschaft mbH war unstreitig während des vorliegenden Vergabeverfahrens als prozessbevollmächtigte Anwaltskanzlei für die Beigeladene (ConceptBau, Anm. d. Red.) … mandatiert.« In dem Bauprozess standen sich demnach die ConceptBau und ein Partner der Bietergemeinschaft Gross gegenüber. Das Gericht war deshalb überzeugt: »Aufgrund des objektiv erfüllten Tatbestandes … war die Voreingenommenheit von Rechtsanwalt Welker zu vermuten.« Philipp Gross ist überzeugt: »Dass wir die schweren Vergabeverstöße vor Gericht geklärt haben, ist der Grund für Welkers Rachsucht an uns.«
Trotz dieses eindeutigen Urteils, das grundsätzliche Zweifel an der Neutralität von Martin Welker weckte, lautete die Schlagzeile der Saarbrücker Zeitung am Tag nach der Aufsichtsratssitzung: »OB Conradt (CDU) lobt Ludwigspark-Chef Welker«. Conradt stellte sich voll vor seinen angeschlagenen Favoriten für das Baudezernat: »Nach einem überzeugenden Bericht« Welkers seien »vom Aufsichtsrat keinerlei Zweifel an dessen ordnungsgemäßer Arbeit geäußert« worden. Der GIU-Geschäftsführer habe vielmehr »Falschaussagen und haltlose Vorwürfe der Firma Peter Gross in der Sitzung restlos entkräften und widerlegen« können. Es sei auch »kein Schaden für die GIU« entstanden. Eine kühne Behauptung, denn darüber ist noch nicht endgültig entschieden.
Bei seinem Umgang mit der Causa Welker begab sich Conradt darüber hinaus in einen diametralen Widerspruch zu einer Ankündigung, die er vor der OB-Wahl abgegeben hatte. Er werde »in Konfliktfällen nicht über die Medien kommunizieren«. Zugunsten Welkers schon. Auf eine Anfrage zu den Auseinandersetzungen um den GIU-Geschäftsführer ließ Rathaus-Pressesprecher Thomas Blug die Saarbrücker Hefte dagegen wissen: »Zu vertraulichen Unternehmensinterna der GIU kann ich keine Auskunft geben.«

Mit der uneingeschränkten Parteinahme für Welker provozierte Uwe Conradt seinen Koalitionspartner FDP. Gegenüber der Saarbrücker Zeitung (SZ) echauffierte sich Helmut Isringhaus, Vorsitzender der FDP-Stadtratsfraktion, die Position Conradts sei eine »einseitige Darstellung«. Dies entspreche »nicht meiner Wahrnehmung von der Sitzung, an der ich teilgenommen habe«. Isringhaus: »Ich habe erhebliche Zweifel geäußert.« Er sei auch überrascht, dass ein »Monolog des Herrn Welker als Meinung der Stadt und des Aufsichtsrates« veröffentlicht werde. Der FDP-Mann: »Ich distanziere mich von dieser Erklärung.« Isringhaus forderte die Verschiebung der Dezernentenwahl. Zunächst müssten alle Vorwürfe geklärt werden.
So argumentierten auch die Sozialdemokraten. Deren Fraktion im Stadtrat zeigte sich »höchst verwundert« über die Erklärung des Oberbürgermeisters. Sie gebe »die persönliche, bekanntermaßen sehr wohlwollende Auffassung von Uwe Conradt als Aufsichtsratsvorsitzendem wieder« und sei »in keinster Weise mit den Aufsichtsratsmitgliedern abgestimmt gewesen«. Mirco Bertucci, Vorsitzender der oppositionellen SPD-Fraktion im Saarbrücker Stadtrat, sprach von einem »Stück aus dem Tollhaus«. OB Conradt müsse »endlich das Ruder herumreißen und auf eine Lösung der Misere hinwirken. Schließlich gehe es um die Zukunft einer Gesellschaft, die in den vergangenen Jahren maßgeblicher Impulsgeber von Innovation und städtebaulichen Entwicklungen« gewesen sei. Im schlimmsten Fall sei zu überlegen, »ob eine Abberufung von Martin Welker als Geschäftsführer erfolgen müsse, um weiteren Schaden von der Gesellschaft abzuwenden«. Die Grünen hielten sich zurück.
Anders die Architektenkammer des Saarlandes, die eine Neuausschreibung der Stelle des Baudezernenten forderte. Die Diskussion um die Besetzung, sei »zu einer medialen Schlammschlacht geworden«. Dabei werde im Wesentlichen über »Mängel, Fehler und Versäumnisse in Zusammenhang mit dem Bau des Ludwigsparkstadions und eines Vergabeverfahrens gestritten«. Dagegen fehle die Auseinandersetzung mit der Frage, »ob der von Oberbürgermeister Uwe Conradt favorisierte Bewerber Rechtsanwalt Martin Welker fachlich überhaupt als Baudezernent geeignet ist«. Und »welche Vorstellungen er zu Stadtentwicklung, zu verkehrsplanerischen Konzepten oder zu der neuen, durch die Corona-Pandemie bedingten Entwicklung der Urbanität hat, wird nicht thematisiert«, kritisierte Alexander Schwehm, Präsident der Architektenkammer des Saarlandes. Das Bewerbungsverfahren leide zudem unter dem Manko, »dass Oberbürgermeister Conradt bereits sechs Tage vor Ablauf der Bewerbungsfrist seinen Wunschkandidaten, Rechtsanwalt Welker, präsentierte. Möglicherweise habe dies die eine oder andere fachlich geeignete Person davon abgehalten, sich zu bewerben.«

Herbe Niederlage für den Oberbürgermeister


Dann ging alles ganz schnell. Zwei Tage vor der geplanten Wahl gab Welker nach einem Gespräch mit Conradt »vorerst« auf. Weil er »vermeiden möchte, dass die seit Bekanntwerden meiner Kandidatur gegen mich geführte Schmutzkampagne das Amt des Baudezernenten beschädigt«, habe er sich »in Abstimmung mit dem Oberbürgermeister zu diesem Schritt entschlossen«. Eine herbe Niederlage auch für Conradt. Ein halbes Jahr später als geplant, im April 2021, wurde schließlich der rheinland-pfälzische CDU-Kommunalpolitiker Patrick Berberich, Bauingenieur und Jurist, zum neuen Baudezernenten von Saarbrücken gewählt.
Der Konflikt mit Martin Welker ist damit noch nicht abgehakt. Jamaika-Koalitionär Helmut Isringhaus, renommierter Herzchirurg im Ruhestand, würde den engen Verbündeten des Oberbürgermeisters am liebsten ganz loswerden. Zuletzt, im Juni 2021, forderte er, Welker sei als GIU-Geschäftsführer »unverzüglich abzulösen«. Kurz zuvor war Isringhaus selbst auf Drängen der CDU aus dem GIU-Aufsichtsrat entfernt worden. CDU-Fraktionsvorsitzender Sascha Zehner begründete das gegenüber der Saarbrücker Zeitung mit der »schwierigen Lage« bei der GIU. Isringhaus, der im Aufsichtsrat ein Mandat hatte, das die CDU nach den Mehrheitsverhältnissen im Stadtrat für sich reklamierte, sei ein zu unerfahrener Stadtverordneter in dieser Situation. Deshalb ersetzte man ihn durch Gerd Bauer, den in Sachen GIU aus CDU-Sicht erfahrensten Stadtverordneten. Vor zwanzig Jahren war Bauer mal CDU-Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters.
Eine echte saarländische Lösung: Der Schwie­­ger­sohn von Bauer ist der Kanzleipartner von GIU-Chef Martin Welker.

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