
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
70 Jahre ist es her, dass die erste Nummer der Saarbrücker Hefte publiziert wurde. Wie kam es dazu? Um das herauszufinden, begab ich mich in das Stadtarchiv Saarbrücken und entdeckte im Nachlass von Dieter Heinz, dem langjährigen Chefredakteur der Saarbrücker Hefte, viele bislang unbekannte Details. Wie es im Jahr 1989 zu der Gründung der gemeinnützigen Verlags GmbH Saarbrücker Hefte kam, entdeckte ich in den lange als verschollen geglaubten Akten des Vereins.
»Wir fangen noch mal an. Wir geben nicht auf.« Dieses Zitat des schwedischen Schriftstellers Lars Gustafsson, das sich als Leitmotiv durch mehrere seiner Romane zieht, fiel mir ein, als ich nach einer Überschrift für die Geschichte der Saarbrücker Hefte gesucht habe. Widerstandsfähigkeit, Durchhaltevermögen und die Entschlossenheit, trotz aller Rückschläge immer weiter zu machen – das kann man den Heften auch für die Zukunft wünschen.
Es war für die Hefte erfreulich, dass die Feier zum 70. Jubiläum im Saarbrücker Rathaus-Festsaal auch mit Unterstützung des Oberbürgermeisters Uwe Conradt stattfand. Unsere Verständigungsprobleme (siehe Chronik einer Debatte im Heft Nr. 121) gehören nun der Vergangenheit an. In der Geschichte der Saarbrücker Hefte ist allerdings der Wechsel zwischen Unterstützung und Ablehnung durch die Politik und die Stadtverwaltung so sicher wie die Überschwemmung der Stadtautobahn in Saarbrücken. Was uns noch gefreut hat, war die Teilnahme der Bundestagsvizepräsidentin Josephine Ortleb an der Feier. Auch viele FreundInnen und UnterstützerInnen feierten an diesem Abend mit. Gespielt hat für uns am Klavier Thomas Layes. Kerstin Krämer widmet dem Ausnahmekünstler ein Porträt in diesem Heft.
Was an diesem Abend noch los war, können Sie auf dem neuen YouTube-Kanal der Hefte nachschauen.
Eine andere Feier fand am gleichen Ort im März dieses Jahres anlässlich des 80. Jahrestags des Zusammenbruchs der NS-Herrschaft in Saarbrücken statt. Wir dokumentieren die Rede des US-Generalkonsuls Brian Heath. Wie die Situation vor Ort kurz vor und während des Einmarschs der amerikanischen Truppen in Saarbrücken war, schildert Hans Trautes in seinen »Erinnerungen an Saarbrücken 1939–1945«. Diese wurden in den 1970er-Jahren in sechs Folgen in den Saarbrücker Heften abgedruckt. Wir bringen noch mal einige Auszüge.
Während wir im Oktober feierten, rückte auch der Redaktionsschluss für die Jubiläumsausgabe Nr. 132 näher. Sehr erfreut waren wir über die Reaktion der Saarländischen Gesellschaft für Kulturpolitik auf die Kritik unseres Autors Marcel Wainstock in der Ausgabe Nr. 131. Er hatte den Zustand der dem ersten Ministerpräsidenten des Saarlandes, Johannes Hoffmann, gewidmeten Stele an der Modernen Galerie beklagt. Die Schäden wurden umgehend behoben, wenn auch eine angemessene Ehrung Hoffmanns durch das Land immer noch aussteht.
Nun hat Marcel Wainstock beschlossen, unseren Wunsch zu erfüllen und seine Geschichte des schwulen Saarbrückens, an der er seit Jahren arbeitet, in den Saarbrücker Heften in mehreren Teilen zu veröffentlichen.
Unsere Autorin Aline Pabst fand öffentliche Anerkennung für ihren Text über das Agieren der bundesweit organisierten Windkraftgegner im Saarland. Sie nutzen die lokalen Debatten über Windräder, um die gesamte Energiewende zum Vorteil der Kohle- und Erdöl-Lobby zu diskreditieren.
Über den Expansionskurs der Rüstungsindustrie in das Saarland schreibt Jonas Boos. Er bezweifelt deren längerfristigen und nachhaltigen volkswirtschaftlichen Nutzen für das Land und die Beschäftigten.
Simon Dudek und Andreas Kallert haben für die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Auswirkungen von Sparmaßnahmen auf finanzschwache Kommunen in einigen Bundesländern untersucht. Darunter waren auch 22 saarländische Gemeinden. Ihre Ergebnisse präsentieren die beiden Autoren in diesem Heft.
Elsterbach heißt der saarländische Ort, in dem der Romanheld des Schriftstellers Hans Therre lebt und den er in seiner gleichnamigen Trilogie beschreibt. Evgenia Dourou würdigt das Werk und seinen Autor: »Dank ihm«, so Dourou, »spüren wir, dass auch unser bescheidenes saarländisches Leben erzählenswert ist und zum Stoff großer Literatur werden kann.«
Ein anderes Bild vom Saarland hat Hermann Neuberger in die Welt getragen. Die im Saarland immerwährende Ehrung seiner Person zu den verschiedensten Jubiläen scheint kein Ende nehmen zu wollen. Eine neue Festschrift des Saarländischen Fußballbundes huldigt dem Sportfunktionär und ist an Peinlichkeit für das Land kaum zu übertreffen. Nur noch der Deutsche Fußballbund und saarländische Politiker halten in Treue fest zu einer Persönlichkeit, die bundesweit und international nicht mehr als ehrenwert angesehen wird. Redakteur Klaus Gietinger kommentiert den Skandal.
Dass die Entwicklungen rund um den Fußball die Gesellschaft auch positiv beeinflussen können, beschreibt Luca Zarbock in seinem Text über den Erfolg der Initiative »Zukunft Blau-Schwarz«. Den Mitgliedern des 1. FC Saarbrücken ist es gelungen, durch demokratische Mobilisierung mehr Mitbestimmung innerhalb des Vereins durchzusetzen.
Roland Röder schreibt über das Homburger Waldstadion, das während der NS-Zeit gebaut wurde, und fordert den Verein FC 08 Homburg auf, seine NS-Vergangenheit zu erforschen und sie öffentlich zu machen.
Im dritten Teil seiner Serie »Stalins Schatten an der Saar« schreibt unser Autor Erich Später über die Gründung der Saarländischen Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN als Einheitsorganisation aller NS-Gegner im Jahr 1948 und über ihre Spaltung im Jahr 1951.
Die Galerie in diesem Heft gehört Ingrid Kraus. Sie gestaltet seit vielen Jahren die Titelseiten des Programmhefts des von ihr mitbegründeten Kinos Achteinhalb. Wir zeigen eine Auswahl ihrer Filmbildcollagen.
Werner Ried hat dieses Mal für die Saarbrücker Hefte eine Reise besonderer Art unternommen. Er ist mit dem ICE von Saarbrücken nach Paris und mit der Regionalbahn wieder zurückgefahren. Das allein ist an sich nichts Besonderes. Das, was er dabei sieht, schon. In seinem Text verrät er uns, wie sich auf dieser Strecke 300 Millionen Jahre Erdgeschichte aus dem Zugfenster erkennen lassen.
Auch sein Vater Hans Ried hat schon in den Saarbrücker Heften geschrieben. Seine Texte können Sie jetzt problemlos nachlesen. Denn alle Ausgaben der Hefte von der Nr. 1 bis zur Nr. 127 sind nun vollständig frei und kostenlos über unsere Webseite abrufbar.
Wir bitten Sie um Beachtung unserer Werbepartner in diesem Heft und verweisen auf unsere Abo-Geschenke.
Im Namen der Redaktion wünsche ich Ihnen ein gutes Neues Jahr.
Ihre Sadija Kavgić
Editorial:
Sadija Kavgić
Digitalisierung:
Frei zugänglich ab Nr. 1
Die Saarbrücker Hefte wurden digitalisiert
Rückblick:
Sadija Kavgić
Saarbrücker Hefte 1955‒2025
Wir fangen noch mal an. Wir geben nicht auf. (Lars Gustafsson)
Aline Pabst
Ein Punktsieg gegen die Anti-Windkraft-Lobby
Sadija Kavgić
80 Jahre Kriegsende – Saarbrücken erinnert an den Zusammenbruch der NS-Herrschaft
Hans Trautes
Erinnerungen an Saarbrücken 1939–1945
Aussichten:
Jonas Boos
Zwischen Krisendruck und Kriegsproduktion
Rüstungsindustrie auf Expansionskurs im Saarland
Luca Zarbock
Deutschland, einig Feierland
Der Tag der Deutschen Einheit in Saarbrücken
Evgenia Dourou
Hans Therre: Wie viel Heimat braucht der Mensch?
Klaus Gietinger – Ein Kommentar
»Hermann the German« – Die Ehrungen für
Hermann Neuberger nehmen im Saarland kein Ende
Schwulsein:
Marcel Wainstock
Homosexuelle Männer in Saarbrücken 1961‒2021
Illegalität, Subkultur und Emanzipation
Bahn:
Werner M. Ried
Zugreise nach Paris und zurück
Mit TGV und ICE durch die Erdzeitalter
Galerie:
Volker Schütz
Kino Achteinhalb im Himmel
Die Filmbildcollagen von Ingrid Kraus
Portrait:
Kerstin Krämer
Ein Unfassbarer zum Anfassen – Der Pianist
Thomas Layes ist eine Ausnahmeerscheinung
Sport:
Luca Zarbock
Die Zukunft gehört den Mutigen
»Zukunft Blau-Schwarz« und ihr Kampf für einen besseren 1. FC Saarbrücken
Roland Röder
Das Waldstadion mit Tradition
Der FC 08 Homburg und seine NS-Vergangenheit
KP Saar:
Erich Später
Stalins Schatten an der Saar Teil 3:
Die Spaltung der saarländischen Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN
Zeitgeschehen:
Roland Röder
Mordfall Samuel Yeboah – Überraschende Einsichten vor dem Untersuchungsausschuss
Klaus Gietinger
Lärm kostet Leben
Die Stadtautobahn und ihre neue Lärmschutzwand
Simon Dudek und Andreas Kallert
Kommunaler Strukturabbau im Saarland
Zwischen Sparzwang, Niedergang und Aufschwung
Klaus Gietinger
Wir sind umgezogen – Ihre Saarländische Filmförderung
Andenken:
Moritz Klein
Welt im Ei – Andenken an Luise Bartholomä-Ende
Jonas Boos lebt in Saarbrücken, engagiert sich politisch (außerparteilich), arbeitet als Diplom-Volkswirt bei der Arbeitskammer des Saarlandes und ist dort auch als Personalrat tätig.
Evgenia Dourou ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Cluster für Europaforschung der Universität des Saarlandes (CEUS) und promoviert zu Europa in der Gegenwartsliteratur.
Simon Dudek ist Postdoktorand in den Arbeitsgruppen Wirtschafts- und Humangeographie an der Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Klaus Gietinger, Autor, Regisseur und Sozialwissenschaftler. Kinofilme, TV-Movies, Serien, Kinder-, Dokumentarfilme, Drehbücher, Tatorte (Buch und Regie). Drei Romane und 15 Sachbücher. Zuletzt zusammen mit Norbert Kozicki: »Freikorps und Faschismus – Lexikon der Vernichtungskrieger«, Verlag Schmetterling, Stuttgart 2022. Für seine Arbeiten wurde er mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. www.gietinger.de.
Andreas Kallert ist Postdoktorand in der Arbeitsgruppe Wirtschaftsgeographie an der Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Sadija Kavgić, Journalistin und Übersetzerin. Geboren in Tuzla, Jugoslawien. Infolge der Belagerung von Sarajevo 1992 bis 1996 kam sie nach Deutschland. Publiziert in Deutschland und Bosnien und Herzegowina. Presserechtlich verantwortliche Redakteurin der Saarbrücker Hefte seit 2019. Lebt in Saarbrücken.
Moritz Klein, geb. 1985, schreibt als freier Autor u. a. für SR-Kultur und Deutschlandfunk und veröffentlicht Prosa und Essays in verschiedenen Print- und Online-Medien.
Kerstin Krämer, geb. 1970 in Quierschied. Freie Kulturjournalistin, Autorin und Fotografin. Mitglied der VG Wort, VG Bild-Kunst und dju. Buchveröffentlichung: »Coronöses Bestiarium. Animalische Limericks und andere Ungereimtheiten zur Pandemie«, Lyrik, BoD 2021.
Ingrid Kraus, Diplomsoziologin. Ab Anfang der 1980er-Jahre organisiert sie Filmveranstaltungen im Kino in der Feuerwache, 1990 Gründungsmitglied des Vereins Nauwieser 19 e. V. und von Kino achteinhalb. Außer ihrer Berufstätigkeit im Kino, wo sie ihr Hobby zum Beruf machen konnte, hat sie als Hobbys die Malerei und das Akkordeonspielen.
Aline Pabst ist Redakteurin der Saarbrücker Zeitung. Sie schreibt hauptsächlich über Klima- und Umweltthemen. Für ihre »Klimaseite«, die seit Juli 2021 wöchentlich erscheint, erhielt sie den K3-Preis für Klimakommunikation in der Kategorie »Journalismus«. 2024 und 2025 erhielt sie den Saarbrücker Umwelt- und Klimaschutzpreis.
Werner Ried, Eisenbahner und Diplomgeograph, Dr. phil. mit Dissertation zum Schienenverkehr SaarLorLux. Er arbeitet bei DB InfraGO und Europe’s Rail. Ehrenamtlich ist er Vorstandsvize des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) im Saarland.
Roland Röder, Geschäftsführer der Aktion 3. Welt Saar sowie Kleingärtner und Fußballfan. Er ist seit Jahren an der Aufarbeitung des Mordfalls Samuel Yeboah beteiligt. Seine politischen Schwerpunkte sind Agrarpolitik, Antisemitismus und Islamismus; www.a3wsaar.de.
Volker Schütz, Saarbrücker Medienkünstler, arbeitet mit Oszilloskopen und anderen historischen Geräten zwischen Kunst und Wissenschaft, besitzt eine funktionierende Körperteilverlängerungsmaschine und interessiert sich besonders für das Vermögen und Unvermögen menschlicher und maschineller Wahrnehmung.
Erich Später, geb. 1959, ist Mitarbeiter der Heinrich-Böll-Stiftung Saar. Er publiziert seit 2004 in der Monatszeitschrift konkret und seit 2002 in den Saarbrücker Heften. Mehrere Buchveröffentlichungen, zuletzt »Der dritte Weltkrieg – die Ostfront 1941–45«, Conte Verlag, St. Ingbert 2015.
Hans Trautes, geb. 1906 in Oberhausen, gestorben 1989 in Wallerfangen. Sportjournalist und Buchautor.
Marcel Wainstock, geb. 1948 in Zürich, französischer Staatsbürger, hat französische und italienische Philologie sowie vergleichende Literaturwissenschaft und Philosophie in Saarbrücken und Florenz studiert. Er arbeitete in Saarbrücken, seiner Wahlheimatstadt, wo er weiterhin gerne lebt.
Luca Zarbock, hat Politik- und Kommunikationswissenschaft (M.A.) an der Universität Trier studiert. Seit 2021 ist er Teil der Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung Trier (IIA) und arbeitet dort als wissenschaftliche Hilfskraft.
Autorenschaft in zweiter Generation
Hans Ried (1927‒1972) war einer der ersten Geografen, die an der 1948 gegründeten Saar-Universität promovierten. Bis Ende der 1950er-Jahre wurde dort auf Französisch gelehrt. Rieds Dissertation 1958 widmete sich der »Siedlungs- und Funktionsentwicklung der Stadt Saarbrücken«. Hans Ried veröffentlichte im Saarbrücker Heft Nr. 6 (1957) »Die Wandlungen in der Kulturlandschaft des lothringischen Kohlereviers seit Ende des Krieges« und im Heft Nr. 13 (1961) »Flurformen im Saarland« mit Abdruck von Luftbildern (siehe Onlinearchiv der Hefte).
Der jüngste Sohn von Hans Ried ist unser Autor Werner Ried, Jahrgang 1965, ebenfalls Geograf.
