Ein Kabarettist steht auf


Von Klaus Gietinger

Es ist 25 Jahre her, wir schreiben das Jahr 1994, da, so berichtet Dr. Mohsen Ramazani-Mogghaddam in seinem Buch »Ein Hauch Vergangenheit«, da hätten »zwei Parteifunktionäre der rechtsradikalen Republikaner zu einer Podiumsdiskussion (zu welchem Thema auch immer) in das damalige Studiotheater neben dem Gasthaus Bingert eingeladen. Die Moderation sollte ein stadtbekannter Kabarettist übernehmen. Der brüstete sich damit, er werde die beiden rechtsextremen Parteigänger in der Diskussion als Verbrecher demaskieren und ihr faschistisches Gedankengut entlarven. Die Gegner dieser Veranstaltung entgegneten ihm, er solle die Republikaner doch bitte mit nach Hause nehmen und sie bei Kaffee und Kuchen demaskieren. Das Nauwieser Viertel sei keine öffentliche Bühne für solche faschistische Propaganda.«

2004 besuchte – zusammen mit mehreren Kolleginnen und Kollegen – derselbe Kabarettist das Flüchtlingslager Lebach: »Geradezu unwürdig, die Unterbringung«, befand er kritisch. »Vier bis fünf Personen müssen sich ein Zimmer teilen. Manchmal reicht nicht einmal die Anzahl der Betten – und das, ob-wohl das Lager nicht einmal voll belegt ist. «Ein offensichtlich humanistisches Plädoyer. Das war 11 Jahre vor Merkels »Wir schaffen das«. Auf Facebook berichtet Philipp Weis, ehemaliger Juso-Vorsitzender im Saarland, er habe in seiner Grundschulzeit manchmal bei einem türkischstämmigen Klassenkameraden eine Kabarettsendung gesehen mit einem lustigen Franzosen, der sich »Jacques« nannte. Das habe den türkischen Jungs gefallen, so Weis auf Nachfrage, weil Jacques vorgab, Ausländer zu sein und Deutsch mit einem Akzent gesprochen habe. Und dieser Kabarettist hätte sogar einen »festen Slot« im aktuellen Bericht des SR gehabt: »Einer der Saarländer mit der größten Reichweite, bekannt aus Funk und Fernsehen.« Auf einer Demo der Friedensbewegung sei es für ihn eine Ehre gewesen, nach diesem Mann, mit dem er natürlich auf Facebook befreundet war, zu sprechen, bis, ja, bis er, Weis, es dann später abgelehnt habe »auf einer Demo zu sprechen, wenn der dort auch sprechen sollte«.Warum das denn, fragt man sich, was war passiert? Schließlich gehörte der Kabarettist 2018 doch zur Bewegung »Aufstehen« bzw. war einer der Frontmänner. Das sollte doch eine neue linke Massenbewegung werden. Doch schon bei der Auftaktveranstaltung dieser Organisation des ›aufrechten Gangs‹, vor gut einem Jahr in Burbach, gab es Reibungsverluste. Denn der Kabarettist saß auf dem Podium und seine Ansichten über Migration kamen bei Teilen des Publikums nicht so gut an. Die Spaßpartei »Die Partei« hatte gar vor dem Saal zu einer Mahnwache mit dem Motto »Aufstehen gegen Aufstehen« bzw. »Hinsetzen!« geladen. Der Mann, der kein politischer Kabarettist sein will, wird bei seinen Auftritten sehr politisch. So erlebte ihn Alice Hoffmann, die vor Jahren auch schon mal mit ihm zusammen aufgetreten war, später (nach 2015) bei einer seiner Kabarettvorstellungen vor der Partei Die Linke.

Da gab er Folgendes zum Besten: »Wenn mein Haus abbrennen würde, würde ich erst mal meine Frau und meine Kinder in Sicherheit bringen, dann nach meinen Papie-ren greifen und ganz am Schluss würde ich an mein Handy denken, bei den Flüchtlingen ist es umgekehrt.« Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht, die mit im Saal saßen, fanden das, von Hoffmann darauf angesprochen, nicht schlimm, sondern witzig. Nun, Detlev Schönauer, so heißt der Kabarettist, bringt inzwischen noch ganz andere ›Gags‹. Während er verkündet, dass die Dummheit eine Farbe hat, »nämlich grün«, findet er, dass lediglich bei einem einzigen Grünen nichts hinzuzufügen sei, nämlich dem Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, der zu den Vorfällen in Chemnitz (wo auch ein jüdisches Restaurant angegriffen wurde), ganz im Tenor des damaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen, gesagt hat: »Die Beweise für Gewalt und Ausländerjagd in Chemnitz sind eher dürftig, zahlenmäßig im einstelligen Bereich.« Schönauer muss dann aber doch was hinzufügen: »Unter einer Hetzjagd verstehe ich das bedrohliche Verfolgen von Menschen, die – unter Aufbietung all ihrer Kräfte – um ihr Leben rennen. Und das sehe ich in diesem Video keinesfalls.« Wundert es einen dann noch, dass er Annegret Kramp-Karrenbauers Verteidigung ihres Griffs ins Klo des Dritten Geschlechts mit einem »Danke« goutiert, von »Gender-Scheiß« redet und die mit einem antisemitischen Lied aufgefallene Kabarettistin Lisa Fitz (»Rothschilds, Soros und Consorten, die auf dem Scheißeberg des Teufels Dollars horten«) als Kollegin, die »noch selbst denken« könne, bezeichnet?

Der Blogger Uwe Caspari hatte nach einem Besuch einer Schönauer-Vorstellung dann einfach genug. Er postete einige von Schönauers lustigen Sprüchen: So »trug der Pseudofranzose die Anekdote vor, wie eine Burkaträgerin von der Bushaltestelle verschwindet, obwohl kein Bus hielt. Die Müllabfuhr kann so eine Burka schließlich nicht von einem Müllsack unterscheiden. Auch hier war der Jubel der Zuhörer gruselig, die Begeisterung bei der Vorstellung, eine Muslima lande im Müll, war zu spüren.« Eine Grenze war für Caspari überschritten, wie er im persönlichen Gespräch erklärte, als Schönauer im zweiten Teil des Abends – nun nicht mehr als Kunstfigur Jacques, der Franzose, sondern als Schönauer – Bandansagen verschiedenster Institutionen spielte. Da seien auch witzige dabei, aber eine sei ganz schlimm gewesen. Eine Hotline irgendeines Gerichts. Und da sei auf der Ansage in gereimter Form sinngemäß gekommen, wir kümmerten uns um alle Fälle. Die Bäckereiverkäuferin, die ein Brötchen nimmt, die knackten wir natürlich weg. Bei einem Migranten, der ein Kind vergewaltige, da dürfe man nicht so genau sein, der kriege dann ein paar Sozialstunden, am besten noch im Kinderheim. Das habe, so Caspari, nichts mehr mit Humor zu tun, sondern mit Bildverzerrung, mit Stimmungsmache. Er hätte daraus kein Posting gemacht, wenn nicht in der Stumm’schen Reithalle (der passende Ort) das Publikum gejohlt, gegrölt und gejubelt hätte. Caspari fasste in seinem Blog zusammen: Rassismus ist kein Kabarett. Schönauer verklagte ihn und verlor krachend. Danach gab er sich beleidigt und kündigte seinen baldigen Rücktritt an, verbunden mit dem Versprechen, nie mehr in Saarbrücken aufzutreten. Für die Saarbrücker wohl kein Verlust. Denn seine »rechtsautoritären Einstellungen«, sein »skurril altertümliches Männerbild, Leugnung des Klimawandels, Islamkritik statt Religionskritik, Ethnopluralismus«, so sein ehemaliger Fan Weis, das brauchen wir nicht. Oder noch eine Kostprobe aus seinem letzten Saarbrücker Auftritt: Dass Greta Thunberg CO2 sehen kann, beeindrucke ihn, er könne dafür Dummheit riechen, »aber dafür gibt’s keinen Nobelpreis«. Nun, man könnte die Frage stellen, kann er sich vielleicht selbst nicht riechen? Es gibt Menschen, die sagen, Schönauer sei mal ein Linker gewesen. Ramazani-Mogghaddam, der mit ihm Physik studiert hat, bezweifelt das. Schönauer selbst sieht das auch so – er sei kein Linker. Nun ist er ein Freund von Oskar Lafontaine, hat bei der »Bewegung ›Aufstehen‹« mitgemacht, die sich ja längst wieder gesetzt hat und bei der, einer Erhebung zufolge, »ca. 30 % der Anhänger auf einer rechtspopulistischen und ausländerfeindlichen ›Deutsche zuerst‹- Linie sich bewegten«. Immerhin will Schönauer, so in einem Interview in der Saarbrücker Zeitung, den Sozialabbau »stoppen, mehr Rente, besseren Mindestlohn, die Leute sollen einfach von ihrem Lohn leben können«, alles linke Forderungen5, aber er spielt dabei die deutschen Deklassierten gegen die Migranten aus. Wie es Caspari in seinem Blog dokumentierte. Alice Hoffmann kann heute noch nicht verstehen, wie aus einem »christlichen Kabarettisten, einem warmherzigen liebevollen Menschen«, ein »›Gutmenschen‹-Beschimpfer« mit »Ausländerfeindlichkeit« geworden ist.

Aber ist oder war er vielleicht nicht einfach ein Sprachrohr eben dieses Oskar Lafontaine, der ja immer noch als Linker gilt? Der jedoch im Saarland volkstümlich Lehrer-Bashing betrieb – »faule Säcke« – und 1995, noch in der SPD, die Maschinenlaufzeiten in den Betrieben verlängern wollte, 2004 schon längst raus aus der SPD-Führung, den damaligen Innenminister Otto Schily (SPD) unterstützte, der Lager in Nordafrika für Flüchtlinge forderte. Und Lafontaine war es, der 1993, nach den Pogromen von Hoyerswerda, Rostock, Mölln und Hünxe, als saarländischer Ministerpräsident – und er war nicht der einzige – für die faktische Abschaffung des Asylrechts eintrat, was dann auch umgesetzt wurde. Er war es, der (2004) im Entführungsfall Jakob von Metzler in der Bild-Zeitung für Folter plädierte, der (2016 auf Facebook) von »Plutokratie« und (2017 in Ramstein) von »einer unsichtbaren Regierung« hinter den angeblichen Regierungen sprach und spricht und 1995 ausführte: »Der Staat ist verpflichtet zu verhindern, dass Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter ihnen zu Billiglöhnen die Arbeitsplätze wegnehmen.« Und selbstverständlich steht der Kabarettist Schönauer nicht nur vor oder hinter Lafontaine, sondern auch »völlig hinter Sahra, weil sie realpolitische Vorstellungen hat! Nein zu offenen Grenzen!« Zur Zeit der Weimarer Republik gab es Menschen, die man als »linke Leute von rechts« oder »rechte Leute von links«, als »Nationalbolschewisten« (z.B. Ernst Niekisch) bezeichnete, das wäre vielleicht im Fall Schönauer/Lafontaine/Wagenknecht zu hoch oder, wie man will, zu tief gegriffen. Aber dass sie den Internationalismus der Linken gegen den Nationalismus der Rechten austauschen, was wenigstens bei Schönauer auch noch völkisch untermauert ist, war schon mal da.

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