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Editorial Heft 102

»Was ist ein Filmland?«, fragte einst die ehemals größte Filmproduktionsstätte dieses Landes, die Telefilm Saar, in einer Werbebroschüre. »Wir meinen ein Land, in dem es sich lohnt, Filme zu machen«, gaben sich die Verantwortlichen selber die Antwort. Doch gelohnt hat es sich nicht. Der Traum von »Hollywood an der Saar« ist lange ausgeträumt und Telefilm Saar im Nebel eines millionenschweren Konkurses von Leinwand und Bildschirm verschwunden. Was bleibt, ist eine Trümmerlandschaft kleiner Produzenten, die ihr Leben mit seltenen Aufträgen aus den mageren Etats des Saarländischen Rundfunks fristen oder versuchen, mit Fördergeldern den einen oder anderen Kurzfilm zu realisieren.

Filmland Saar? Das hat heute nichts mehr mit aufwendigen, spektakulären Produktionen zu tun. Die Landesmedienanstalt hat 70 000 Euro für Filmförderungen zur Verfügung. Eine »Film Commis­sion« wurde ins Leben gerufen, um Spielfilmprojekte ins Saarland zu locken. Doch im Augenblick ereignet sich Filmisches hier mehr auf anderen Ebenen, auf Nebenschauplätzen. Anlaß für die Saarbrücker Hefte, diese Ebenen vom Rand in die Mitte zu rücken, einen oder mehrere Blicke auf sie zu werfen.

Einsames Aushängeschild saarländischen Filmgeschehens ist das Film­festival Max-Ophüls-Preis, das sich alljährlich im Januar mit dem deutschsprachigen Nachwuchsfilm beschäftigt. Ein Festival, das seit Jahren von einem steigenden Unbehagen begleitet wird, dessen verschiedene Leiter sich immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert sahen, ihr Angebot oberflächlich und künstlerisch wenig innovativ zu gestalten, in der Mehrzahl Filmproduktionen aus Fernsehgeldern zu zeigen. »Wir zeigen keine Konsensfilme«, sagen die Festivalmacher im Interview mit Julian Bernstein. Man darf gespannt sein, wie weit das 2010 tatsächlich der Fall sein wird. Einen Blick richten die Saarbrücker Hefte auf Ophüls – Vater und Sohn. Der berühmte Dokumentarfilmer Marcel Ophüls hat sich mehrfach in Aufsätzen und Interviews über sein Verhältnis zu seinem Vater geäußert: Ophüls über Ophüls.

Auch ein zweiter Blick fällt auf ein Stück Filmgeschichte. Gesucht – ein Haus für Filme. Das Saarländische Filmarchiv, eine Truhe voll vergessener saarländischer Filmschätze, will sein Leben als Kellerkind im Landesarchiv beenden, sucht dringend eigene Räume. Bisherige Bemühungen waren erfolglos. Die Filmwissenschaftlerin Gerhild Krebs erzählt vom Klinkenputzen für Fördergelder und skizziert ihre Vorstellungen von einer Saarländischen Kinemathek. Unser Autor Wolfgang Weiß spaziert mitten in der Gegenwart durch die saarländische Filmlandschaft und fragt: Wie wär’s mit Kino?

Fernab von Disney, Bond und Harry Potter besuchte Frank Scheidt die Macher des Filmmagazins Deadline und ist der Meinung, daß diese Zeitschrift, die im Saarland erscheint, in ganz Deutschland verkauft wird und 2007 den Saarländischen Staatspreis für Design erhalten hat, ein Angebot an alle Liebhaber des phantastischen Films im weitesten aller Sinne darstellt, das sie kaum ablehnen können. Mit Filmen der besonderen, der kurzen, der musikalischen Art hat sich Benjamin Thull beschäftigt. Zunächst hat er das Buch Video thrills the radio star gelesen und sich dann mit einem der beiden Autoren, Henry Keazor, Professor für Kunstgeschichte an der Universität des Saarlandes, über Musik­videos, deren Geschichte, Themen und Analysen unterhalten.

Was ist ein Filmland? Zumindest ein Land, in dem Film zur Kulturlandschaft gehört. Das, so scheint es uns, ist im Saarland der Fall, und deshalb ist Film ein Schwerpunktthema dieser Saarbrücker Hefte.

Georg Bense

Georg Bense, geb. in Köln, aufgewachsen in Stuttgart, Fernsehjournalist, Autor, Regisseur und Kameramann zahlreicher Filme für ARD, ZDF und arte.

Mirka Borchardt, geb. 1987 in Gütersloh, seit 2007 Studium der Historisch orientierten Kulturwissenschaften an der Universität des Saarlandes, daneben tätig als freie Mitarbeiterin der SZ und als Leiterin von Schülerexkursionen zum ehemaligen KZ Natzweiler-Struthof.

Bernhard Dahm, geb. 1953, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Asyl- und Ausländerrecht.

Klaus R. Ecke, geb. 1954 in Darmstadt, Maschinenbauingenieur, Studium der Organisa­tionspsychologie, lebt seit 1991 in Saarbrücken, schriftstellerische Arbeit seit 2001.

Hans Gerhard, geb. 1973 in Braunschweig, lebt in Saarbrücken. Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt kritisiert er literarische Texte und schreibt selbst, zuletzt die Erzählung Wagga-Wagga in der Literaturzeitschrift Strecken­läufer.

Sabine Graf, Dr., geb. 1962 in Zweibrücken, Studium der Literaturwissenschaft und Philosophie an der Universität des Saarlandes, Promotion über den Schriftsteller Otto Flake und dessen publizistisches Werk zwischen Selbstverständigung und Selbstinszenierung. Arbeitet als Autorin und Kunstkritikerin.

Sebastian Hanusa, geb. 1976 in Dortmund, Studium der Schulmusik, Philosophie und Musikwissenschaft. Kompositionsstudium bei Theo Brandmüller, elektronische Musik bei François Donato und Daniel Teruggi (GRM Paris/Forbach). Musikdramaturg an den Theatern in Würzburg und Magdeburg, seit 2009 beim Staatstheater Oldenburg.

Kathrin Jacob, geb. in Neunkirchen, Fremdsprachenkorrespondentin, Studium der Germanistik und Anglistik in Saarbrücken und Hannover, Ethnologie und Afrikaans in Pretoria (Fernstudium). Leitung des Alsfelder Stadtarchivs, seit Juli 2009 Oberstufenlehrerin für Deutsch und Englisch bei Fulda.

Bernd Nixdorf, Studium der Philosophie und Psychologie (erfolgreich abgebrochen). Autor der Tatort-Parodie Salli Palli (Buch und Hörspielproduktion des SR), div. Beiträge für die Saarbrücker Hefte, Anthologien und Hörfunk-Comedy. Online-Krimi www.blueswing.de. Sci-Fi-Parodie Das letzte Gefecht (mit Dirk van den Boom).

Irene Portugall, geb. 1955 in Saarbrücken, Studium der Soziologie, Theaterarbeit im Echo-Theater, Gründungsmitglied der Kinowerkstatt Alte Feuerwache, Mitarbeit im Filmstudio Camera und Jazzkeller Gießkanne, kreierte 1996 den Kult-Event Warme Nächte; langjährige freie Mitarbeiterin beim Saarländischen Rundfunk und bei KulTour, als freie Journalistin tätig.

Anke Schaefer, geb. 1970, Studium Diplomstudiengang Kulturwirt, Sprachen-, Wirtschafts- und Kulturraumstudien in Passau, seit 1998 Rundfunkjournalistin.

Frank Scheidt, geb. 1969 in Saarbrücken. Lebt in seiner Geburtsstadt, wo er als Autor und Fotograf tätig ist. Fühlt sich von der visuellen Poesie inspiriert.

Dietmar Schmitz, Dr., Diplom-Politologe und Germanist. Redakteur der Saarbrücker Hefte.

Herbert Temmes, geb. 1969, Studium der Geschichte und Germanistik, Geschäftsführer der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft LV Saarland e. V.; MBA Gesundheitsökonomie.

Benjamin Thull, geb. 1978, Studium der Medienwissenschaft, Anglistik und Französischen Philologie an den Universitäten Mannheim und Trier.

Wolfgang O. Weiß, geb. 1978, studiert Kunstgeschichte/Bildwissenschaften an der Universität des Saarlandes, Mitarbeit in der SR-Musikdokumentation sowie fernsehjournalistische Tätigkeiten für den Saarländischen Rundfunk; Beiträge für diverse Printmedien im Saar-Lor-Lux-Raum, redaktionelle Beiträge im Verein tertium comparationis – Netzwerk für Komparatistik e. V.