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Kommunikation ist alles

»Kommt, reden wir zusammen / wer redet, ist nicht tot«, schrieb Gottfried Benn – eine frühe Vorausschau auf die später so umtriebig gewordene Kommunikationsmaschine Kultur, ihre Herolde und Claqueure. Alles ist Kommunikation, Kommunikation ist alles, so wird es seit Jahrzehnten bis hin in die Fort- und Weiterbildungen selbst der Esoteriker gelehrt, und wer heute nicht inter(net)aktiv ist – um nur einmal die Fortschreibung des alten Verdikts in das neue Jahrhundert zu benennen –, der ist so gut wie nicht existent.

Eine Kulturzeitschrift wie die Saarbrücker Hefte hat es damit heute schwer und leicht zugleich. Wir liegen querab aller gängigen Modelle, deuchen uns eher Borgward als Lamborghini zu sein, beziehen unser Selbstverständnis weniger aus dem Immer-Neu als aus dem Immer-Noch. Wir können uns inzwischen – von unseren Anfängen her gar nicht so tradi­tionsverliebt – auf eine ganz erkleckliche und bisweilen erquickliche Tradition berufen.

Selten allerdings fiel es uns so schwer wie bei diesem Heft, uns auf eine Zusammenstellung der vorliegenden Beiträge zu verständigen. Doch schließlich nahmen wir die Dinge, wie sie sind, und wenn sie sich hart im Raume stoßen, ergibt das zumindest eine Dramaturgie der harten Schnitte, die ihren Reiz hat.

Wir beginnen mit dem mehr oder weniger beunruhigenden Zeitgeschehen: mit dem aktuellen Wahlmarathon und dem nach der Buchveröffentlichung der Spiegel-Reporterin Gisela Friedrichsen neu entflammten Disput um den Pascal-Prozeß. Der Kontrast könnte schärfer kaum sein: Hans Gerhards populärtheoretischem Beitrag über das Wahlverhalten geschlechtsreifer Fernsehbürger folgen Hans Horchs eigensinnige Überlegungen zu mutmaßlichen Projektionen bei der Verdächtigung sozial randständiger Kneipenbesucher.

Sanftere Kontraste bietet ein Schwerpunktthema dieses Heftes. Anlaß ist das Jubiläum der HBKsaar, die vor 20 Jahren gegründet wurde. Zunächst erinnert der Maler und Kunstprofessor Till Neu aus eigenem Erleben an die frühere Werkkunstschule, ergänzt durch einen kurzen Blick auf die aktuelle Situation, wie sie sich in den Arbeiten des letzten Abschlußjahrgangs der HBK darstellt. Daran schließt sich ein Beitrag der Kunstkritikerin Sabine Graf an, die das Wollen und Wirken der hiesigen Kunsthochschule pointiert und durchaus provokant erörtert.

Die Literatur bildet einen weiteren Schwerpunkt des vorliegenden Heftes. Üblicherweise für einen einzigen Originalbeitrag reserviert, soll die Rubrik diesmal ein Forum für erste Veröffentlichungen verschiedener junger Autorinnen und Autoren aus der Region bieten. Wenn in diesem Teil des Heftes weniger Kontraste zu verzeichnen sind, so spiegelt auch das die Gegebenheiten: In den eingereichten Texten überwiegen eher traditionelle Formen – was immer das nun wieder für den nächsten Dreh der Kommunikationsmaschine Kultur bedeuten mag.

Die Redaktion

Georg Bense, geb. in Köln, aufgewachsen in Stuttgart, Fernsehjournalist, Autor, Regisseur und Kameramann zahlreicher Filme für ARD, ZDF und arte.

Wilfried Busemann, Historiker, im Ruhrgebiet aufgewachsen, Veröffentlichungen zur Geschichte rheinischer und saarländischer Arbeiterbewegungen, zur Alltagsgeschichte und zur Entschädigung saarländischer NS-Opfer.

Hans Emmerling, freier Mitarbeiter von SR und NDR, TV-Porträts u. a. von Raymond Aron, Joseph Beuys, Gisèle Freund, Artur Rubinstein, Dokumentarfilme über Futurismus, europäische Länder, Marokko und Israel, mehrfacher Grimme-Preisträger.

Hans Gerhard, geb. 1973 in Braunschweig, lebt in Saarbrücken. Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt kritisiert er literarische Texte und schreibt selbst, zuletzt die Erzählung Wagga-Wagga in der Literaturzeitschrift Strecken­läufer.

Thomas Glaser, geb. 1981, studiert Musikwissenschaft, Neuere Geschichte sowie Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität des Saarlandes.

Sabine Graf, Dr., geb. 1962 in Zweibrücken, Studium der Literaturwissenschaft und Philosophie an der Universität des Saarlandes, Promotion über den Schriftsteller Otto Flake und dessen publizistisches Werk zwischen Selbstverständigung und Selbstinszenierung. Arbeitet als Autorin und Kunstkritikerin.

Hans Horch, Dr. phil., lebt, lernt und lehrt in Saarbrücken.

Jean-Louis Kieffer, geb. 1948, lebt in Filstroff (Lothringen). Französischlehrer. Gründungsmitglied und Vorsitzender der Vereinigung »Gau un Griis« (Association pour la défense et la promotion du francique). Gründungsmitglied der Literaturzeitschrift Paraple. Mundartautor.

Till Neu, geb. 1943 in Saarbrücken, forschte nach dem Studium bei Oskar Holweck über die Grundlagen der Gestaltung, studierte Malerei bei Fritz Winter in Kassel, Kunstgeschichte in Saarbrücken bei Wilhelm Messerer (Promotion). Zwei Berufe: Künstlerische Arbeit und Lehre. Seit 1984 Professor an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main für Grundlagen, Malerei, Kunstgeschichte am Institut für Kunstpädagogik. 2004 vorzeitiges Ende der Tätigkeit zugunsten der künstlerischen Interessen. Letzte Ausstellungen im Saarland: Schloß Dagstuhl 2006/07, Wintringer Kapelle 2008.

Georg Ruby, geb. 1953, Pianist, Klarinettist, Komponist, Arrangeur. Mitbegründer des Kölner Jazz Haus, Professor für Jazz und Improvisierte Musik an der Hochschule für Musik Saar.

Dietmar Schmitz, Dr., Diplom-Politologe und Germanist. Redakteur der Saarbrücker Hefte.

Herbert Temmes, geb. 1969, Studium der Geschichte und Germanistik, Geschäftsführer der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft LV Saarland e. V.; MBA Gesundheitsökonomie.

Cornelia Zelinsky-Wibbelt, Dr. phil. habil., Privatdozentin für Englische Sprachwissenschaft, zahlreiche Publikationen zur Computerlinguistik sowie zur Englischen und Vergleichenden Sprachwissenschaft, Hochschuldozentin und Gastprofessorin in Hannover, Bonn, Wien, Saarbrücken, Metz. Freiberufliche Beraterin für wissenschaftliches und akademisches Schreiben und Reden.