Editorial #128


Liebe Leserinnen, liebe Leser,

für die Redaktion der Saarbrücker Hefte gibt es zwei Jahreszeiten. Die erste beginnt im März und die zweite im September. In den darauffolgenden Monaten wird ein neues Heft geplant. AutorInnen und KünstlerInnen werden kontaktiert oder machen selbst Angebote an die Redaktion. Texte werden angekündigt und wieder abgesagt. Manche Texte machen uns große Freude, andere werden oft nach langen Diskussionen abgelehnt. Zeitaufwendig sind die Versuche, die Texte zusammen mit den AutorInnen zu bearbeiten. Dann fliegen die Mails hin und her. Oft wird tagelang an einem Satz gefeilt. Unsere Lektorinnen überprüfen dann noch einmal die Texte, bevor unsere Layouterin sie übernimmt.

Fotos müssen her, Bildquellen und -unterschriften, sind die Autorenangaben noch aktuell? Die Zweifel bleiben und Erschöpfung macht sich breit. Wird es uns gelingen, ein schönes und interessantes Heft herzustellen?

Die Titelseite der vorliegenden Ausgabe stammt von zwei Künstlerinnen und vier Künstlern. Wir haben sie gebeten, je eine Linolplatte zu gestalten. Zwei Themen, die im Heft behandelt werden, standen zur Auswahl: Der 1. FC Saarbrücken, zu dessen Geschichte in den Jahren 1933–1945 unser Autor Luca Zarbock recherchiert hat. Und das umstrittene Saarvenir, das sich der Schriftsteller Bernd Nixdorf im Heft vornimmt. Die Linoldrucke wurden von Hand an den alten Druckmaschinen unserer Druckerei Blattlaus erstellt. So ist auch dieses Mal jedes Heft ein Unikat. Vielleicht wird eins davon ihr Lieblingssouvenir aus dem Saarland. Mit dabei sind Helge Barthold von der Blattlaus, Esther Ramsbrock, Anne Welter, Andreas Golczewski und Dante Nil. Die Idee stammt von Volker Schütz, der schon vor einem Jahr die Titelseite der Ausgabe Nr. 126 mit Hilfe künstlicher Intelligenz gestaltet hat.

Die Galerie und der Literaturteil sind in diesem Heft einem saarländischen Dichter und Künstler von internationaler Bedeutung gewidmet: Johannes Kühn, der am 3. Oktober 2023 verstorben ist. Seine Zeichnungen, die wir abdrucken dürfen, sind bisher unveröffentlicht. Es sind Geschenke von Kühn an seine Freunde Irmgard und Benno Rech. Die beiden haben über Jahrzehnte Kühns Gedichte archiviert und herausgegeben. Neu erscheinen in dieser Ausgabe vier Gedichte. Ich bedanke mich sehr bei Frau Rech und ihrem Enkel Felix, ohne deren Hilfe wir diesen Schwerpunkt der Hefte nicht hätten realisieren können.

Wir sind froh, dass der Schriftsteller Michael Krüger, Verleger von Kühns Gedichten bei Hanser, den Dichter und seinen Freundeskreis in einer Vignette gewürdigt hat. Der Philosoph Bernd Scherer beschreibt in seinem Nachruf das Einzigartige an Kühns Dichtung. Unserer »Lokalreporter« Ekkehart Schmidt ist Kühn bis nach Hasborn ins Gasthaus »Huth« gefolgt. Dort war Kühn fast jeden Tag und verfasste als »Winkelgast« viele seiner Gedichte. Sicherlich auch welche, die im unseren Heft Nr. 82 vor 24 Jahren, neben Zeichnungen und Texten von und über Johannes Kühn veröffentlicht wurden.

Auch damals, 1999, stand der Umbau der Wirtschaft ganz oben auf der Tagesordnung der politischen Debatte im Saarland. So wie heute. Wir haben den bekannten Wirtschaftspublizisten Maurice Höfgen gebeten, eine Einschätzung des 3 Milliarden schweren saarländischen Transformationsfonds zu schreiben. 1999 war ein wichtiges Jahr auch für die Bürgerrechte in Deutschland. Durch die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts erhielten Millionen „Ausländer“ endlich die Möglichkeit, deutsche Staatsbürger zu werden. Auch unsere Autorin Veronika Kabis hat sich für diese Reform eingesetzt. Sie ist seit 20 Jahren Leiterin des Zuwanderung- und Integrationsbüros der Landeshauptstadt. Ihr Text ist, so Kabis, »kein Fachartikel über Migration und Integration«, sondern ein persönliches Nachdenken über die Thematik. Dazu gehört für uns auch die Frage, wie sich die Vielfalt der saarländischen Gesellschaft in der Politik, den Medien und Verwaltungen widerspiegelt. Wie das bei der saarländischen Polizei ist, wollte unser Autor Emil Mura wissen. Er besuchte ein Polizeirevier in Saarbrücken und lernte den Polizeibeamten Özgür Ak kennen.

Hefte-Redakteur Klaus Gietinger musste mehrmals nachzählen: An diesem Tag, dem 11. November, gab es fünf Demonstrationen und ein Fußballspiel und eine beeindruckende deutsch-französische Gedenkveranstaltung fand statt. Und dazu noch der Faschingsanfang.

Ein juristisches Ende fand der Prozess in Koblenz. Seit der Ausgabe Nr. 122 berichten die Hefte regelmäßig über den Mordfall Samuel Yeboah. In diesem Herbst verurteilte das Oberlandesgericht in Koblenz den Mörder zu sechs Jahren und 10 Monaten Jugendstrafe. Unser Autor Roland Röder, der seit 30 Jahren für die Aufklärung dieses Verbrechens eintritt und auch für die Hefte fortlaufend den Prozess kommentiert hat, zieht ein Fazit. Andreas Morlo sprach mit Kira Braun (SPD) über den eingesetzten Landtagsuntersuchungsausschuss zur Aufklärung des saarländischen Staatsversagens im Mordfall Yeboah.

Der Colpacher Kreis um Emil und Aline Mayrisch wird heute »nicht zu unrecht«, so der Autor Stefan Ripplinger, »als eine Art Think Tank der europäischen Einigung gesehen«. Die beiden unterhielten vielfältige Beziehungen. Häufiger Gast auf dem Familienschloss Colpach war auch »einer der hellsten Köpfe des Jahrhunderts«, der Philosoph Bernhard Groethuysen.

Ralph Schock, Mitherausgeber der Werke von Georg K. Glaser, schaut in seinem Text »Die Saar 1934, ein Goldgräberlager« auf das Leben des halbvergessenen Schriftstellers und seine Beziehung zum Saarland.

Der Sänger und Regisseur Ralf Peter ist für seine engagierten Inszenierungen bekannt. Anlässlich des 125. Geburtstages des großen Komponisten Viktor Ullmann brachte Peter dessen im KZ Theresienstadt komponierte Oper »Der Kaiser von Atlantis – Die Tod-Verweigerung« am 14. April 2023 im Theater im Viertel auf die Bühne. Darüber und wie es mit der Peters-Inszenierung weitergehen soll, schreibt Denise Dreyer.

Nicht zuletzt finden Sie in dieser Ausgabe zwei Buchbesprechungen über den Saarländischen Rundfunk und die Eisenbahnen im Saarland.

Nach wie vor ist es uns ein großes Anliegen, die Anzahl der Abonnements und der verkauften Hefte weiter zu steigern. Auch in dieser Ausgabe bieten wir Ihnen die Gelegenheit, die Hefte zu abonnieren. Als Dank dafür schenken wir Ihnen ein signiertes Buch Ihrer Wahl.

Oliver Siebisch gilt für seine Mitarbeit an diesem Heft unser besonderer Dank.

Ihnen, liebe Leserinnen und liebe Leser, wünsche ich auch im Namen der Redaktion ein frohes Neues Jahr.

Ihre Sadija Kavgić

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