Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Ihnen vorliegende Ausgabe der Saarbrücker Hefte ist eine Besonderheit. Nicht nur wegen der runden Zahl 130, sondern unter anderem auch deshalb, weil wir ein weiteres Jubiläum zu feiern haben: Im Jahr 2025 werden die Hefte 70 Jahre alt.
Als ich 2017 in die Redaktion eingetreten bin und zum ersten Mal an einer Ausgabe der Hefte mitarbeitete – die Doppelnummer 117/118 –, konnte ich nicht ahnen, dass die Hefte bald in eine existenzielle Krise geraten würden. Zwei wichtige Redaktionsmitglieder, Herbert Temmes und Julian Bernstein, zogen aus dem Saarland weg und hinterließen eine schwer zu schließende Lücke in der Redaktion. Ein Jahr später stellte der neue Saarbrücker Oberbürgermeister Uwe Conradt die Unterstützung der Hefte in Höhe von jährlich 10.000 Euro ein. Und dann grassierte 2020 die Corona-Pandemie. Die Zusammenarbeit der Redaktion kam beinahe zum Erliegen. Wer hätte noch glauben können, dass es den Heften gelingen würde, weiter zu erscheinen und jedes Jahr zwei Ausgaben herauszubringen? Und dennoch ist es uns mit viel Anstrengung und der Solidarität von Menschen und Institutionen gelungen weiterzumachen, ja sogar noch die Auflage und die Abonnentenzahl stetig zu erhöhen.
Wir glauben, dass der Hefte-Mix aus gut geschriebenen Texten, Literatur und Kunst, eingebettet in ihre 70-jährige Tradition, den großen Zuspruch für die älteste saarländische Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft erklärt. Auch in dieser Jubiläumsausgabe möchten wir Sie, liebe Leserinnen und liebe Leser, nicht enttäuschen. Wilfried Voigt, der mit seinen Politiker-Porträts über Annegret Kramp-Karrenbauer (Nr. 120) und Hubert Ulrich (Nr. 123) für großes Aufsehen gesorgt hat, widmet sich nun Oskar Lafontaine. Einem Politiker, der wie sonst wenige mit dem Saarland identifiziert wird und der Anfang der 1990er-Jahre Voigt und seine Kollegen vom Spiegel wegen ihrer Berichterstattung über seine Affären »Schweinejournalisten« nannte. Als Folge davon verschärfte Lafontaine sogar das saarländische Pressegesetz. Ein Hoffnungsträger für viele Menschen hat sich, wie Voigt darlegt, in einen Verschwörungstheoretiker verwandelt.
Jevgenij Mrinski, Geschäftsführer der Synagogengemeinde Saar, schildert im Gespräch mit Redakteur Klaus Gietinger die Auswirkungen des zunehmenden Antisemitismus auf das heutige jüdische Leben in Saarbrücken. Es ist unter anderem Hans-Christian Herrmann, dem Leiter des Saarbrücker Stadtarchivs, zu verdanken, dass die Erinnerung an die fast 2.000 im Holocaust ermordeten jüdischen SaarländerInnen in einem digitalen Gedenkbuch festgehalten wird. Im Heft stellt er das Projekt vor.
Unsere Autorin Aline Pabst, ausgewiesene Fachjournalistin für den Klimawandel und die Energiewende, beschreibt das Agieren von Windkraftgegnern im Saarland. Sie zeigt, wie ein Lobby-Netzwerk diverse Bürgerinitiativen unterwandert, Lügen über den Klimawandel verbreitet und auch schon einige Politiker im Land beeinflusst. Unser Bahn-Experte Werner Ried weist seit Jahren auf den notwendigen Ausbau und die Reaktivierung der vorhandenen Bahnstrecken im Saarland hin. In dieser Ausgabe lobt er die Pläne der Landesregierung, das Streckennetz in den nächsten 10 bis 15 Jahren zu erweitern.
Gar nicht umweltfreundlich ist ein anderes, und wie unser Autor und Architekt Carsten Diez findet, skandalöses Vorhaben der Landesregierung: der bereits beschlossene Abriss des denkmalgeschützten Finanzamtgebäudes. Ein Bündnis von Architektur- und Umweltverbänden versucht, dies zu stoppen und eine Planung unter Berücksichtigung des Klimaschutzes, der Bürgerbeteiligung, der Baukultur und des Denkmalschutzes durchzusetzen.
Niemand vermochte es, die Konten der luxemburgischen Caritas zu schützen, von denen Anfang 2024 rund 65 Millionen Euro verschwanden. Unser Autor Julian Dörr erzählt die Geschichte eines Skandals, der das Ende der Caritas in Luxemburg besiegelte. Auch eine Wahrsagerin sei im Spiel gewesen.
Viel wichtiger als Fußballspielen war für den FV Saarbrücken, den Vorgängerverein des heutigen 1. FC Saarbrücken, das Verbreiten von NS-Propaganda vor der Saarabstimmung 1935. Luca Zarbock, der bereits im Heft Nr. 128 über den Verein geschrieben hat, belegt dessen Mitverantwortung für die Errichtung der NS-Diktatur im Saarland.
Unser Autor Erich Später widmet sich, in mehreren Teilen, der Geschichte der saarländischen Kommunisten in den Jahren 1935–1955. Erschütternd sind die Berichte über die Parteisäuberungen, den Stalin-Kult und die Hetze der Parteipresse gegen »undeutsche Kultur« und Ausländer im Saarland. Warum auch ihr ehemaliger Parteivorsitzender, Fritz Pfordt, einer der Führer der Einheitsfront 1935, in Ungnade gefallen ist, erzähle ich in meinem Beitrag.
»Oh ja, es wurde aber auch Zeit!«, freute sich unser »künstlerischer Leiter« Volker Schütz, als ich ihm erzählte, dass die Redaktion gerne die Galerie der Künstlerin Élodie Brochier überlassen und ein Porträt des Musikers Christoph Thewes von der Autorin Kerstin Krämer veröffentlichen wolle.
Eine Entdeckung für uns ist die Prosa von Moritz Klein. Wir drucken fünf seiner Kurzprosa-Stücke und hoffen, dass sie Ihnen gefallen. An ein beinahe vergessenes Werk des weltberühmten französischen Künstlers Daniel Buren erinnert Marcel Wainstock. Sein Wandfries »Double Rhythme« ziert seit 1990 die hohen Wände der Saarbrücker Congresshalle.
Die Saarbrücker Hefte bieten seit einigen Jahren Künstlern die Möglichkeit, die Titelseiten der Winterausgabe zu gestalten. Jedes einzelne Heft auch dieser Jubiläumsausgabe Nr. 130 wird in der Werkstatt unseres Verlags Blattlaus unter Anleitung von Helge Barthold auf alten Druckmaschinen von Hand gedruckt. Es gibt drei Linolschnitte: Dieter Call »Urwald vor den Toren der Stadt«, Marlene Reiche »Potpourri« und Steffi Westermayer »Informieren Sie sich über die Recyclingmöglichkeit Ihres Landes«.
Wenn Sie sich über die römische Zahl CXXX auf der Titelseite gewundert haben, so kann ich Ihnen verraten, dass es sich dabei um einen kleinen Gruß an junge Frauen handelt. Mehr dazu erfahren Sie auf der Seite 16. Hundert Seiten hat dieses Heft. Beschenken Sie sich oder andere mit einem Abonnement, dafür schenken wir Ihnen ein signiertes Buch Ihrer Wahl (siehe Seite 17).
Ich wünsche Ihnen auch im Namen der Redaktion ein gutes Neues Jahr 2025.
Ihre Sadija Kavgić
· © 2024 Saarbrücker Hefte ·